Die EZB, der Euro und die Angst
Zum Jahresende hat EZB-Chef Draghi seine Politik gegen Kritik verteidigt. Vor allem in Deutschland habe es “diese perverse Angst” gegeben, “dass sich die Dinge zum Schlechten entwickeln”. In Wahrheit habe sich die Lage in Euroland verbessert – dabei hat auch Draghi Grund zur Sorge.
EZB-Chef Draghi gilt vielen Deutschen als das personifizierte Böse. Vor allem seine Ankündigung, wenn nötig unbegrenzt Staatsanleihen auf Krisenländern anzukaufen, sorgte für Ärger.
Doch ein Jahr später ist klar: Draghis umstrittenes OMT-Programm hat die Märkte beruhigt und die Politik entlastet. Die deutsche Inflations- und Ausverkaufs-Angst war völlig überzogen.
Die Preissteigerung ist so niedrig wie nie, der Ausverkauf hat nicht stattgefunden. Denn Draghi musste seine Drohung nicht umsetzen, der Anleihekauf in ganz großem Stil ist ausgeblieben.
Man kann diese Leistung gar nicht genug würdigen. Letztlich hat Draghi geschafft, woran Kanzlerin Merkel und die übrigen Euroretter gescheitert sind: Er hat die Spekulation gegen den Euro gestoppt.
Das Problem ist, dass Merkel & Co. das nicht so sehen. Für sie hat es nie einen Angriff auf den Euro gegeben, sondern nur durchaus willkommene Marktreaktionen auf Fehlentwicklungen in einzelnen Ländern.
Die “Euroretter” aus dem Norden haben auch nie den Zusammenhang zwischen Finanz- und Bankenkrise verstanden. Für sie war alles bloß eine Staatsschuldenkrise, die nur durch Austerität gelöst werden könnte.
Deshalb glauben sie, die Sparprogramme hätten die Lage entspannt. Und deshalb weigern sie sich, eine echte Bankenunion zu gründen. Beides könnte sich noch bitter rächen (siehe “Nachruf auf die Bankenunion”).
Aber auch Draghi macht einen Fehler. Er unterschätzt die Gefahren, die von den anhaltenden Austeritätsprogrammen ausgehen. Mittlerweile leiden sogar die AAA-Staaten Holland und Finnland, S&P hat die EU herabgestuft.
Zudem scheint er zu vergessen, dass die “perverse” deutsche Angst ein Nachspiel haben wird – vor dem Bundesverfassungsgericht. Dort sind noch Klagen gegen das OMT-Programm anhängig.
Wenn die Roten Roben den Klägern auch nur in Teilen Recht geben, dann könnte dies neue Schockwellen an den Märkten auslösen. Und dann könnte es richtig “pervers” werden – denn niemand hat einen “Plan B”…
photo credit: European Parliament via photopin cc
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Peter Nemschak
1. Januar 2014 @ 16:17
@a.müller In den USA haben die Investoren ihr Geld im Zuge der Bankenrettung verloren, ebenso in Schweden in den 90-iger Jahren, auch ohne Diktatur, aber mit einer entschlossenen Regierung. Mangels einer europäischen Regierung war eine zeitweise Verstaatlichung von Pleitebanken nicht möglich. Die Bankenunion soll, wenn auch erst in weiterer Zukunft Abhilfe bringen. Nicht nur Bankenbankrott sondern auch Staatsbankrott müssen möglich sein. Es geht halt alles sehr langsam in Europa; kein Wunder bei der großen Anzahl an Staaten mit unterschiedlichen Interessen. Trotz aller Kritik dürfte die Schweiz bisher gut über die Runden gekommen sein, weit besser als Staaten, bei denen der nationale Grundkonsens fehlt. Die Finanzkrise hat die Verteilungsproblematik zwar verschärft, aber nicht verursacht. Technologischer Fortschritt und weltweite Liberalisierung der Märkte waren m.E. die ausschlaggebenden Faktoren. Dafür sind Millionen von Menschen in den Entwicklungsländern bitterster Armut entkommen.
Peter Nemschak
30. Dezember 2013 @ 20:59
@ebo
der Zulauf zu den rechtspopulistischen Parteien kommt nicht von ungefähr. Viele Bürger lehnen einen europäischen Bundesstaat ab. Ob zu Recht oder Unrecht bleibe dahingestellt. Als Alternative bietet sich ein Europa an, das gemeinsame Werte teilt und sich verpflichtet, in seiner Wirtschaftsgebarung bestimmte Grundsätze einzuhalten. Wenn das gelänge, wäre viel erreicht. Europa darf keine Zwangsveranstaltung für seine Bürger werden.
ebo
30. Dezember 2013 @ 21:37
@Peter Nemschak
Der Zulauf zu den Rechten hat m.E. nichts mit dem “europäischen Bundesstaat” zu tun. Sondern mit massiven Ängsten im Norden (“wir müssen die Zeche zahlen”) wie im Süden (sozialer Abstieg, Arbeitslosigkeit etc.). Zudem wird er von der betont nationalen Politik vieler konservativer Regierungen, die übrigens die Mehrheit stellen, gefördert. Dazu demnächst mehr in einem eigenen Beitrag!
Peter Nemschak
31. Dezember 2013 @ 10:30
Dass bei einem europäischen Bundesstaat der Norden die Zeche zahlen muss, befürchten viele Bürger. In einem europäischen Bundesstaat hätten sie ex definitione weniger Einfluss auf die Finanzgebarung als im Nationalstaat. In der Krise ist den Menschen das eigene Hemd näher als der Rock des Nachbarn. So gesehen kein Widerspruch zu meinem Kommentar. Die Fixierung der europhilen Elite auf einen Bundestaat Europa treibt viele Bürger in die Arme der Rechtspopulisten.
Peter Nemschak
31. Dezember 2013 @ 14:06
Dass die Niederlassungsfreiheit aus aktuellem Anlass von Großbritannien und der CSU in Frage gestellt wird, verwundert nicht, nachdem der freie Kapitalverkehr schon längst Opfer der Renationalisierung in Europa geworden ist. Ich fürchte die Vision des “Europa der Vaterländer”, wie sie von den Rechtspopulisten verbreitet wird, hat derzeit mehr Attraktion als ein Bundeseuropa. Wenige im Westen verstehen, dass die befürchtete Migration aus Bulgarien und Rumänien diesen Ländern per Saldo schaden und uns im reichen Norden und Westen nützen wird. Der brain drain unter den jungen Gebildeten in Rumänien und Bulgarien ist besorgniserregend und wird die Entwicklung dieser Länder behindern.