Die Zeit läuft ab

Zwei Jahre gibt Frankreichs Präsident Hollande der Eurozone  – dann soll die Politische Union stehen. Vorher kommt allerdings noch die Bundestagswahl, dann die Europawahl. Für die dringend nötige Umkehr bleibt nicht mehr viel Zeit – zumal die Risse immer tiefer werden.

Schon komisch: Die Spekulation gegen den Euro hat sich gelegt, die Risikoaufschläge sinken sogar in Italien und Spanien. Dennoch wächst wieder die Angst vor dem Scheitern.

Dabei genügt ein Blick auf die Wirtschaftsdaten, um dies zu verstehen. Die USA und Japan wachsen wieder, selbst Großbritannien erholt sich langsam von der Krise. Nur Euroland hinkt hinterher – Besserung ist nicht in Sicht.

Mittlerweile leidet sogar der Kern unter der Krise. Deutschland schafft nur noch ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent; EZB-Direktor Asmussen warnt schon vor der Rückkehr des “kranken Manns”.

Eine verlorene Dekade können wir uns nicht leisten

Gleichzeitig werden die Risse in der Zone immer tiefer. Neuverschuldung und Leistungsbilanzdefizite sinken zwar. Doch der Schuldenberg wächst, und die Ungleichgewichte sind auch größer geworden.

In der Eurozone tickt zwar keine Zeitbombe mehr, wie noch im letzten Jahr. Die Zeit läuft trotzdem ab, denn ewig kann die Währungsunion nicht mit Rezession, Massenarbeitslosigkeit und dem Misstrauen der Bürger leben.

Eine verlorene Dekade wie Japan können wir uns nicht leisten, das übersteht Europa nicht. Schon jetzt bröckelt der soziale und politische Kitt, der die EU mühsam zusammenhält.

Die EU müsse in eine demokratische Föderation umgebaut werden, fordern die meisten Brüsseler Experten (siehe “Das verflixte F-Wort”). Wir brauchen eine politische Union, meint nun auch Frankreichs Staatschef Hollande.

Doch viel Zeit bleibt nicht mehr. Womöglich wurde der optimale Moment schon verpasst, als Kanzlerin Merkel im Dezember die Reform der Eurozone von der Tagesordnung kippte (siehe “Die Unberechenbare”).

Damals gab es noch ein politisches und ökonomisches Momentum – der Schock über die Spekulation gegen den Euro saß tief. Jetzt hingegen lähmen Bundestags- und Europawahl den Reformwillen der Euro”retter”.

Wenn sich das Blatt noch wenden soll, müssen aus meiner Sicht drei Dinge zusammen kommen:

  • Die Konjunktur muss schnell und kräftig anziehen, um ein Abgleiten in die Deflation zu verhindern;
  • es muss ein starker politischer Wille vorhanden sein, um die politische Nord-Süd-Blockade zu überwinden;
  • und Euroland braucht eine völlig neue Strategie – die neoliberale Spar- und Schocktherapie ist gescheitert.

Doch all dies ist sehr unwahrscheinlich. Ich würde die Chance auf eine echte Umkehr auf rund 5 Prozent schätzen. Nur ein Machtwechsel in Berlin oder ein Denkzettel bei der Europawahl könnten die Erfolgsaussichten erhöhen.

Der Euro ist nicht – wie noch im letzten Jahr befürchtet – mit einem Knall zusammengebrochen. Doch nun droht ihm vielleicht noch Schlimmeres: ein langsames, quälendes Siechtum…

Siehe zu diesem Thema auch meine aktuelle Umfrage: “Lassen sich die Problem der Eurozone noch lösen?”