Die wahren Risiken (II)

Wird Italien zum Risiko für die Eurozone? Das behaupten die deutschen Scharfmacher heute ebenso vehement, wie sie gestern Frankreich verschrieen haben. Doch beide Warnungen sind übertrieben. Die wahren Risiken für den Euro liegen ganz woanders, zum Beispiel in den USA – und in Deutschland.

Im November habe ich in diesem Blog schon einmal die Risiken für den Euro analysiert. Damals war “French-Bashing” in Mode. Seither haben sich die Spreads für Frankreich entspannt. Paris hat zwar ein Problem mit dem Euro, aber es ist kein Problem für den Euro.

Nun ist Italien an der Reihe. Doch wieder reagieren die Märkte anders, als man sich das in Berlin ausgedacht hat. Nach einem kurzen Schock haben sich die Anleger zurückgelehnt und andere Säue durchs Dorf getrieben. Zum Beispiel die USA mit ihrer Fiskalbombe.

Wenn nicht alles täuscht, wird der gefürchtete “Sequester” heute ausgelöst. Dann werden noch in diesem Jahr 85. Mrd. Dollar  Kürzungen fällig. Besonders hart dürfte es das Verteidigungsbudget treffen – und Europa.

Denn wenn die USA einen Schnupfen bekommen, kriegen wir die Grippe.

Und was ist aus den anderen Risiken geworden, die ich November genannt habe? Sind sie noch aktuell, oder lag ich völlig daneben? Wagen wir eine kleine Zwischenbilanz.

  1. Externe Schocks. “Ob die Krise im Nahen Osten, der Atomstreit mit Iran oder der fiscal cliff in den USA: Die Gefahr von externen Schocks hat sich in den letzten Tagen dramatisch erhöht.” – Stimmt, diese Gefahr ist weiter hoch. Sowohl die USA als auch Iran können dem Euro massive Schocks zufügen.
  2. Rezession in Deutschland. “Schon jetzt fehlt der Eurozone der Konjunkturmotor. Kanzlerin Merkel arbeitet zudem daran, eine aktive, antizyklische Wirtschaftspolitik künftig völlig unmöglich zu machen.” – Beides ist weiter richtig. Dennoch sieht es derzeit so aus, dass sich die Wirtschaft erholt. Doch solange die Rezession in Euroland anhält, kann es auch Deutschland jederzeit wieder treffen
  3. Der Streit um Griechenland. “Die Euro-”Retter” haben sich über die weitere Strategie für Griechenland völlig zerstritten. IWF-Chefin Lagarde fordert einen neuen Schuldenschnitt, Finanzminister Schäuble mauert.” – Das Thema wurde vertagt – auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Doch danach dürfte der Streit sofort wieder hochkochen.
  4. Die Lage in Spanien. “Noch vor zwei Jahren stand Spanien besser da als Deutschland. Wegen der Bankenkrise und der verfehlten “Rettungs”politik ist Madrid nun zum Brandherd geworden.” – Diese Einschätzung ist aktueller denn je. Wenn die Spreads infolge des Theaters um Italien wieder hochgehen, könnte es ernst werden.
  5. Die Blockade in Brüssel. “Nichts geht mehr in der EU. Griechenland, Bankenunion, EU-Budget – alle wichtigen Entscheidungen wurden vertagt, Einigung ist nicht in Sicht.” – Abgehakt. Die großen Streitthemen sind vom Tisch. Allerdings ist nichts gelöst. Die EU funktioniert nicht mehr, der Rückbau hat – geführt von Cameron und Merkel – begonnen.

Gibt es auch neue Risiken? Ja. Sie heißen Zypern und Bundestagswahl. Zypern braucht dringend Hilfskredite, doch in Berlin plant man schon wieder neue Experimente – z.B. eine Beteiligung der Bankkunden.

Wenn das kommt, könnte es ebenso eine Panik auslösen wie dann, wenn nichts kommt. Denn in diesem Fall wäre das neue Dogma gebrochen, dass die Eurozone wie ein Mann zusammenhält.

Dummerweise ist die Zypern-Krise zum Wahlkampf-Thema geworden. Das macht den Ausgang unberechenbar. Zudem werden in Brüssel mit Rücksicht auf Berlin alle großen Entscheidungen vertagt.

Formell stehen die Euro”retter” zwar weiter bereit. De facto müssen sie aber Rücksicht auf Merkel und Schäuble nehmen – und um Himmels willen nichts tun, schon gar nichts, was Geld kostet.

So ist Deutschland doch noch zum Risiko geworden, wie im November prophezeit…

Siehe zu diesem Thema auch meine aktuelle Umfrage: “Bringt Italien die Wende?”