Die Unbelehrbaren
Die “Einigung” zwischen Griechenland und den Gläubigern wirft Fragen auf. Warum ist Varoufakis eingeknickt? Und wie funktioniert eigentlich die Eurogruppe? Unglaublich schlecht, berichten Insider.
Als erster holte sich M. Selmayr eine Abfuhr. Die rechte Hand von Kommissionschef Juncker versuchte gleich nach dem ersten chaotischen Eurogruppen-Treffen vor zehn Tagen, zu vermitteln.
Doch er scheiterte ebenso wie Währungskommissar Moscovici. Ein Kompromisspapier, mit dem beide Brücken zwischen Varoufakis und Schäuble bauen wollten, ging sofort baden.
Der Entwurf, den Eurogruppenchef Dijsselbloem dann aus der Tasche zog, war allerdings auch nicht besser. Juncker unternahm daher einen zweiten Anlauf, diesmal mit EZB und IWF.
Schäuble sagt NEIN zu DEN INSTITUTIONEN
Es war also die gesamte Troika, neudeutsch DIE INSTITUTIONEN, die den Hilfsantrag am Donnerstag in Brüssel mit trug. Sofort kam das Nein von Schäuble aus Berlin.
Der US-Ökonom J. Galbraith hat die entscheidenden Sitzungen in der griechischen Delegation miterlebt. Er habe noch nie so ein dilletantisches Vorgehen erlebt, sagte er. Zitat aus “Fortune”:
“I’m an old Congressional staffer,” he says. “To watch an official body function in this slipshod and ad hoc way, to watch the Eurogroup and the way things were done, was really a revelation.”
Noch schockierender als das Verfahren sind aber die Inhalte. Kein Wort der Selbstkritik wurde aus den drei Eurogruppen-Sitzungen bekannt.
Statt ihr gescheitertes Griechenland-PROGRAMM endlich zu revidieren, haben die Finanzminister unter deutscher Führung die Spar- und Reformdiktate bekräftigt.
Die Minister haben sich damit als Unbelehrbare geoutet. Sie hatten eine einmalige Chance, der Realität ins Auge zu schauen und Fehler zu korrigieren – auch im Interesse der deutschen Steuerzahler.
Sie hätten sich den Kampf gegen Steuerflucht und Vetternwirtschaft zu eigen machen können, oder wenigstens die Kritik des IWF an unrealistischen und überzogenen Spar-Auflagen für Athen.
Nichts von alledem ist geschehen – Dijsselbloem und Schäuble haben es gezielt und sogar mehrfach verhindert. Noch ein Zitat:
“The institutional players—the IMF, European Community, and ECB—have been constructive,” says Galbraith. “But the creditors, the active players, are the finance ministers, and they are divided and hostile.”
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Siehe zu diesem Thema auch die Varoufakis-Files, sie stehen hier
photo credit: The Pit & The Pendulum (for Greece) via photopin (license)
LaLa
23. Februar 2015 @ 22:17
Danke für den Artikel.
Hier noch ein ergänzender TV-Tipp zum Thema:
“Auf den Spuren der Troika”
Die, 24.02.2015, 21.40 Uhr, arte
Elly Christ
23. Februar 2015 @ 13:55
die ganze Wahrheit ist viel trauriger!
EU lockt alle Armutsländer in die EU mit Versprechen die sehr verlockend sind.
Keiner fragt,warum die EU als Wirtschaftsmacht so viele Armutsländer aufnimmt?
Früher generierte man durch Kredite neue Euros.Haus+Autos+Investitionen.
Dies reicht heute nicht mehr aus.
Wir sind im Bereich von Mrd+Billionen angekommen.
Man vergibt diesen Armutsländer Kredite,die sich sehr freuen.
Das generiert neue Euros+Gewinne für Banken+EZB+IWF.
Gleichzeitig macht man diese Länder abhängig+lenkt+führt sie.
Egal was sie wählen werden,EU+EZB+IWF bestimmt.
Demokratie ist ausgehebelt+USA regiert in der EU mit!
Mit dem Freihandelsabkommen ganz reguluär.
Nur wenige haben die wirkliche Macht,der Rest wird geführt+fremdbestimmt.
Man ist so dreist und macht Waffengeschäfte,
die per Kredite sie noch tiefer in Schulden stürzt.
Es gibt kein Entrinnen mehr aus dieser Spirale.
Mehrheit hat es bis heute immer noch nicht begriffen?
Man lenkt das Volk ab mit Halbwahrheiten,oder Beschimpfungen+Kritik.
Was glaubt ihr,warum sie lange Jahre die griechischen Politiker machen ließen
was sie wollten.
Korruption war denen egal.
Nur die Schulden machten denen Spass.
Schulden sind die Gewinne der anderen!
Peter Nemschak
23. Februar 2015 @ 13:38
Peter A. Fischer, der Leiter der Wirtschaftsredaktion der NZZ bemerkt in der heutigen Ausgabe treffend: seiner Ansicht nach würde überraschen, wenn ausgerechnet die radikale Linke es schaffen würde, die weitgehend geschlossene kleine griechische Gesellschaft in eine international wettbewerbsfähige Volkswirtschaft zu transformieren. Dem kann man nur zustimmen. Es erklärt das Misstrauen der Euro-Gruppe gegenüber der griechischen Regierung. Ebos Blog mag unabhängig sein, unparteiisch ist er nicht. Jedenfalls erspart er dem Leser das Studium linker Medien.
ebo
23. Februar 2015 @ 14:17
Was ist denn eine international wettbewerbsfähige Volkswirtschaft? Darum geht es in Griechenland doch überhaupt nicht. Es geht um die Schuldenkrise, die mit Hilfe von Deutscher Bank, Commerzbank & Co. unter professioneller Verschleierung durch Goldman Sachs angeheizt wurde. Wann macht man endlich die Banken und Berater für ihre Fehlinvestitionen und kriminellen Betrugsmanöver haftbar? Aber das steht natürlich nicht auf der Agenda der NZZ, die ich ansonsten sehr schätze…
Peter Nemschak
23. Februar 2015 @ 14:28
Es geht sehr wohl um die internationale Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands, will man das Land im Euro halten. Ihre Rachsucht hilft nicht weiter. Sie haben in Ihrem heiligen Zorn auf Banken und die deutschen Konservativen übrigens wieder einmal vergessen, die Inkompetenz und Korruption der griechischen Regierungen der letzten 40 (in Worten: vierzig) Jahre lange vor Beitritt Griechenlands zur EU und Einführung des Euro zu kritisieren.
ebo
23. Februar 2015 @ 14:53
Was heißt denn hier Rachsucht? Im neoliberalen Eurosystem sind die Staaten ausschließlich auf die Geldversorgung durch die Privatbanken angewiesen. Zusammen mit den Ratingagenturen und Beratern à la Goldman haben sie nicht nur Griechenland, sondern auch Spanien und Irland in den Sand gesetzt. Was die Inkompetenz und Korruption der griechischen Eliten betrifft: die sind ja nun glücklicherweise abgewählt worden. Freuen Sie sich doch, dass Tsipras nun endlich den Kampf gegen Korruption und Steuerflucht auf seine Fahnen schreibt! Ich würde ihm raten, auch gleich Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, damit das Geld nicht gleich wieder in Wien, Zürich oder London landet. Folgt man Ihren Lieblingsblättern, wäre das auch im Sinne der EZB 🙂
Tim
23. Februar 2015 @ 14:50
@ ebo
Es ist zum Verzweifeln.
Wie oft haben wir hier Wettbewerbsfähigkeit diskutiert, die EU-Eigenkapitalrichtlinie CRD IV, das Versagen der auch damals schon durchaus existierenden Bankaufsicht? Nach jeder Diskussion schaltest Du zurück auf 0.
Das Eurosystem war und ist bis auf den heutigen Tag darauf ausgelegt, daß Banken Kredite an nicht kreditwürdige Euro-Länder ausgeben sollen. Darüber muß man doch im Jahr 2015 nun wirklich nicht mehr diskutieren.
Vielleicht verstehst Du zumindest Wettbewerbsfähigkeit besser, wenn wir es mal ganz konkret machen:
Würdest Du für Deine Altersversorgung auf griechische Anleihen oder Aktien setzen? Nein, natürlich nicht. Das ist ein Ausdruck mangelnder Wettbewerbsfähigkeit.
Griechenland kann als Investitionsstandort nicht mithalten, darum fließt auch kein Geld hin. Bzw. nur solches, was im Zuge des oben beschriebenen Euro-Systems zur Staats- und Konjunkturblase führte.
ebo
23. Februar 2015 @ 15:07
@Tim & @Nemschak
Lest bitte mal die “Einigung” der Eurogruppe mit GR durch. Da steht nichts davon, dass Land international wettbewerbsfähig zu machen. Im Gegenteil: Man zwingt Athen, den absurden Ausverkauf fortzusetzen – damit der Schuldendienst bedient werden kann! ginge es darum, GR wieder fit zu machen, würde man die Gas- und Ölvorkommen im Mittelmeer erschließen helfen, um nur ein Beispiel zu nennen. Aber das ist gerade nicht bezweckt
Tim
23. Februar 2015 @ 15:00
@ ebo
Stöhn … Das ach-so-neoliberale Euro-System, in dem Risiken gesetzlich herausdefiniert werden und Milliarden Steuergelder an Banken gezahlt werden?
Würdest Du eigentlich auch die 5-Jahres-Pläne unter Stalin als neoliberale Wirtschaftspolitik bezeichnen?
ebo
23. Februar 2015 @ 15:11
Sinnlose Rhetorik. Lies mal den 4-Monats-Plan der Eurogruppe, ist viel lustiger: http://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2015/02/150220-eurogroup-statement-greece/ Und dann erklär mir mal, wieso FAZ, NZZ & co. über diese Zwangswirtschaft der Gläubiger auch noch jubeln…
Tim
23. Februar 2015 @ 15:15
@ ebo
Noch einmal: Niemand hindert Griechenland daran, selbst zusätzlich vernünftige Politik zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit umzusetzen.
Ich finde Deine koloniale Attitüde gegenüber den Griechen etwas anmaßend. Du tust ja geradezu so, als sei das ein Land, das einen Erziehungsberechtigten braucht. Das ist doch genau derselbe Fehler, den die Griechen bei der Troika beklagen.
ebo
23. Februar 2015 @ 15:21
Doch, die Gläubiger hindern GR daran, selbst eine vernünftige Politik für Wachstum und Arbeitsplätze zu machen. Sie sind gerade wieder dabei, die griechische Reformliste durch den Wolf zu drehen…
Tim
23. Februar 2015 @ 16:01
@ ebo
Mit mehr Geld schafft man keine neuen Unternehmensinvestitionen, jedenfalls keine nachhaltigen. Das abschreckende Beispiel für eine Blähwirtschaft ist Griechenland 2002-2008.
Die griechische Regierung muß sich etwas einfallen lassen, um weitere unsinnige Regulierungen abzuschaffen, lange Genehmigungsverfahren zu verkürzen und generell mehr Verläßlichkeit in die Verwaltung zu bringen. Das sind alles Dinge, für die man kein Geld braucht, im Gegenteil.
Quotex
23. Februar 2015 @ 18:44
Es stimmt schon das Griechenlands fehlende Wettbewerbsfähigkeit ein Problem ist,wenn nicht sogar das zentrale Problem.Aber die fehlende Wettbewerbsfähigkeit ist nicht vom Himmel gefallen und allein Schuld daran ist Griechenland auch nicht.Wettbewerbsfähigkeit ist relativ,das verdeutlicht z.B. die Behauptung “Deutschland ist Wettbewerbsfähig” die für sich allein gesprochen überhaupt keinen Sinn macht,erst die Behauptung “Deutschland ist gegenüber Griechenland Wettbewerbsfähig” trifft es.Konträr zur fehlenden Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands steht also mind. ein Land der EWU welches zu Wettbewerbsfähig ist.Beides ist ein Problem und funktioniert auf dauer innerhalb der EWU nicht.
Die Wettbewerbslücken abzubauen obliegt daher nicht nur den Griechen,Spaniern etc. sondern auch allen Überschussländern.
ebo
23. Februar 2015 @ 18:50
@Quotex
Nochmal: Wettbewerbsfähigkeit ist gar kein Thema, schon gar nicht in der Eurogruppe. Dort dominieren die Interessen der Gläubiger, die den pünktlichen Schuldendienst sichern wollen und dafür ihre heillosen “Rettungs”programme so lange verlängern, bis die Kredite wieder zurück auf die heimischen Banken geflossen sind. Überhaupt ist W. für Staaten ein untauglicher Begriff. Mit wem soll GR denn konkurrieren? mit Portugal?
Tim
23. Februar 2015 @ 21:35
@ ebo
Ich muß noch mal ganz explizit nachfragen, weil ich es kaum glauben kann: Du sprichst in Brüssel doch sicher mit vielen Unternehmern aus verschiedenen Ländern. Hat von denen wirklich noch keiner mit Dir darüber gesprochen, daß er demnächst irgendwo investieren möchte? Und welche Gründe für bzw. gegen bestimmte Standorte sprachen? Was also Wettbewerbsfähigkeit bedeutet?
Über was redest Du denn dann statt dessen mit diesen Leuten?
ebo
23. Februar 2015 @ 21:44
@Tim
Jetzt plaudere ich mal aus der Schule: Hier spricht kaum einer mit Unternehmern, nur mit Lobbyisten und Verbänden. Die CEOs fahren lieber nach London, Paris oder Davos. Allerdings wirst Du auch hier Gleichgesinnte finden, z.B. im Lisbon Council, oder im European Round Table of Industrialists. Da gibts auch eine Gruppe für Wettbewerbsfähigkeit, geleitet vom BASF-Chef Bock. Der Clou: BASF wandert zunehmend in die USA ab…
Tim
23. Februar 2015 @ 22:04
@ ebo
Nicht nur BASF.
GS
23. Februar 2015 @ 13:19
Ich habe nun schon in einigen Presseartikeln, insb. in ausländischen, gelesen, dass der Vizekanzler anderer Meinung sei. Aus irgendeinem Grund wird seit ein paar Jahren dieser Titel, der ja eigentlich nicht einmal existiert oder formales Amt ist, an die große Glocke gehängt. Sei’s drum, wenn Gabriel es wirklich wollte, könnte er Merkel und Schäuble doch leicht zum Einknicken zwingen. Schließlich braucht die Union einen Koalitionspartner. Die Frage ist, warum er es nicht tut. Mir fallen da gleich ein paar Thesen ein: 1) Er hat Angst vor Neuwahlen, die die SPD wieder krachend verlieren würde. Gerade wenn sich die SPD als weich ggü. Griechenland präsentiert. 2) Ihm ist das Thema nicht wichtig genug. Die Unterschiede zu Schäuble sind nicht inhaltlicher Natur, sondern liegen eher im Ton, der angeschlagen werden soll. 3) Schäuble und Gabriel fahren eine Good Cop/Bad Cop-Strategie. 4) ???
Noch eines zum Artikel zu den Zitaten von Galbraith: Durchaus interessant, was da zu lesen ist. Aber man darf natürlich nicht vergessen, dass er alles andere als unvoreingenommen ist.
ebo
23. Februar 2015 @ 13:22
Wenn Gabriel es ernst meinte, hätte er den Posten des Finanzministers für die SPD beanspruchen (und ihn selbst übernehmen) müssen. Wollte er nicht. Punkt. Übrigens war die SPD in Sachen Zypern noch härter und populistischer als Schäuble…
winston
22. Februar 2015 @ 21:31
Ginge es um Steuerhinterziehung hätte man die Steueroasen in Europa schon längst ausgeräuchert, die liegen aber nicht in Griechenland.
Dort gäbe es wirklich was zu holen.
winston
22. Februar 2015 @ 21:24
Geht längst nicht mehr um Schulden, Reformen, Wirtschaft, Korruption oder Steuerhinterziehung, sondern um die Abschaffung der nationalen Verfassungen und Demokratien zugunsten des völlig ausser Kontrolle geratenen Marktradikalismus.
Der Euro spielt hier eine zentrale Rolle.
Wird aber kläglich scheitern, mit völlig unnötigen Kollateralschäden.
Ein Europäer
22. Februar 2015 @ 20:40
Danke Eric !!
Der Artikel ist wirklich informativ ..über die Unbelehrbaren.
Schönen Abend euch allen!
luciérnaga rebelde
22. Februar 2015 @ 20:19
Anscheinend steht das Volk hinter Tsipras und Varufakis!
http://www.guerraeterna.com/el-flanco-izquierdo-de-syriza-comienza-a-preocuparse/
Sollte doch eigentlich auch in Rechnung getragen werden, und nicht nur Geld, Geld, Geld. Aber Griesgrame lassen natürlich solche Argumente nicht zu!
luciérnaga rebelde
22. Februar 2015 @ 17:40
Dieser Artikel ist interessant an sich, enthält aber auch eine Grafik über Arbeitsproduktivität, die erschütternd ist: http://russeurope.hypotheses.org/3482
In diesem Blog kann man auch einen -sehr harten- Artikel über den Hass, den Deutschland immer mehr auslöst lesen: http://russeurope.hypotheses.org/3462