Die Spaltung Europas
Nach der EU verhängt nun auch die Nato Sanktionen gegen Russland: Wegen der Annektierung der Krim wird die Zusammenarbeit eingestellt, und Moskau als Gegner behandelt. Auch Berlin macht mit – und fördert so genau das, was angeblich verhindert werden sollte: die Spaltung Europas.
Es ist noch gar nicht lange her, da formulierte Außenminister Steinmeier sein Mantra in zwei Worten: “De-Eskalation” und: “keine neue Spaltung Europas!”
Lange war nicht klar, was er meinte, denn die Abspaltung der Krim ist ja wohl keine Spaltung des Kontinents. Doch nun ist der Fall da. Russland und alles, was damit zusammenhängt, wird ausgegrenzt.
Die Kündigung des Nato-Russland-Rats, der angesichts der Krim- und Ukraine-Krisen wichtiger denn je wäre, ist nur der letzte Schritt einer langen, vom Westen betriebenen Reaktion/Eskalation.
Auch die beschleunigte Assoziierung mit der Ukraine, Moldawien und Geogien gehört dazu – ebenso wie der US-Finanzkrieg gegen Russland. Alles trägt dazu bei, eine neue Mauer in Europa zu errichten.
Diese Mauer steht nicht etwa an der Krim, sondern an der Westgrenze Russlands. Und sie ist nicht mit Beton und Stacheldraht, sondern mit Denkverboten und Feinbildern bewehrt.
Es ist die Mauer im Kopf, die “Russland-Versteher”, “Appeasement-Politiker” oder gleich “Putinisten” ausgrenzt – jeder, der sich auch nur um nüchterne Analyse bemüht, wird zum Feind erklärt.
Und was macht die Bundesregierung, die doch angeblich in Europa “führt” und “ihre Linie durchsetzt”? Sie folgt den Falken. Seit dem Besuch Obamas in Brüssel kommt ein Kniefall nach dem anderen.
Da will Merkel die Energiepolitik auf den Prüfstand stellen, um sich von Russland unabhängig zu machen, da möchte von der Leyen Kriegsgerät nach Osten verlegen, da nickt Steinmeier das Ende der Nato-Kooperation mit Moskau ab.
Ich fürchte, dies ist nur der Auftakt. Berlin zahlt mit diesen taktischen Zugeständnissen und Rückzugsmanövern den Preis dafür, dass es noch keinen harten Wirtschaftssanktionen zustimmt.
Doch lange wird auch dieses Nein nicht mehr halten. Die Spaltung Europas hat ja auch schon die Wirtschaft erfasst, sogar der Siemens-Chef wird an den medialen Pranger gestellt.
Früher, zur Hochzeit des Kalten Krieges, lobte man Geschäfte à la Siemens (oder F.J. Strauss) noch als “Wandel durch Annäherung”. Heute gelten sie offenbar als eine Art von Hochverrat…
Siehe auch “Sind nun alle verrückt geworden?” und “Ein Feind, ein guter Feind” sowie den lesenswerten Beitrag der “Nachdenkseiten” zum Propagandakrieg um die Ukraine
astm
14. April 2014 @ 00:04
Es geht doch garnicht direkt um die Krim und der Ukraine , Die USA will Russland einkreisen , die wollen an das Russische Öl , Gas und an die Bodenschätze in Sibierien und dazu brau die USA Europa und die Nato ! Keiner ! Keiner weder die USA noch Europa ist in der Lage einen Krieg gegen Russland zu führen , oder gar zu gewinnen !
Außerdem , was war an der Krim Völkerrechtswiedrig ? Wenn da überwiegend Russen sind , die zu Russland gehören wollen und die dazu eine Demokratische abstimmung machen und diese gewinnen , dann ist das ein Demokratischer Völkerrechtlicher vorgang ! Übrigens im gegensatz zum Kosovo in Serbien !
Wenn in Deutschland mal die Demokratie eingeführt werden sollte , wird sich hier garantiert auch einiges ändern !
hwludwig
2. April 2014 @ 19:24
Die Ereignisse in und um die Ukraine sind die Ausführung der US-Geostrategie, wie sie Brzezinski in “Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft” entworfen hat. Befasst man sich damit, wird auch die Rolle der EU-Vasallen und speziell Deutschlands in der Ukraine klar. Die Marionetten zappeln halt ordnungsgemäß. Vergleiche die Darstellung der wesentlichen Punkte auf:
http://fassadenkratzer.wordpress.com/2014/03/28/europa-geostrategischer-bruckenkopf-der-einzigen-weltmacht/
Peter Nemschak
2. April 2014 @ 09:29
@ebo Die subjektive Bedrohungslage durch Russland ist in der EU sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während die Anrainerstaaten von Russland, allen voran Polen, nach Bodentruppenstationierung durch die NATO rufen, scheinen die Großen, auch Deutschland zurückhaltender zu agieren, um nicht Öl ins Feuer zu gießen. Die EU ist keine Großmacht sondern ein Sack voller Flöhe, kein Wunder bei mehr als zwei dutzend Mitgliedern. Das wissen die Großen, China, Russland und die USA. Sie nützen die Situation für sich aus.
zustimmender leser
2. April 2014 @ 10:16
Und da hört die Spaltung ja nicht auf, national geht es ja weiter. Wir erleben gerade dutzende Spaltprozesse, nur eine kleine Auswahl: Transatlantiker – Realpolitiker, Transatlantiker – Wirtschaft, Medien – Leser, AfD-Fans – NPD-Fans, Grüne – Linke, CDU – SPD, etc. Den Umfragen zufolge kann man hier nicht mehr von Staaten reden, die sich da irgendwie positionieren, sondern eher von ihren Regierungen. Ich weiß jetzt wenig über polnische innenpolitische Diskussionen oder über britische (die Leser-Kommentare beim Guardian), aber vielleicht sieht es da ja ganz ähnlich aus. Umgekehrt gibt es aber auch in Russland neben der Putinfan-Mehrheit weiterhin eine Opposition, in dem Fall gegen das Vorgehen auf der Krim. Es gab eine große Demonstration, Leute wie Pussy Riot haben sich dagegen positioniert, es gab kritische Artikel in Medien.
Die EU in Form ihrer höchsten Repräsentanten (die man ja nicht abwählen kann) erlebe ich schon länger als bisweilen bräsig-bürokratisch, dann wieder sanft-autoritär, immer aber voller Selbst- und Sendungsbewusstsein, als würden sie hier wie sonst die Bürger der EU vertreten und seien ihre Stimme. Nein, ihr seid nicht meine Stimme, ihr habt eure Ämter nur aufgrund unglückseliger und wenig demokratischer institutioneller Konstrukte aus dem Hause Kohl und Co., und ich bin fassungslos darüber, was ihr anrichtet, von TTIP bis Ukraine. Eine Groko kann man grummelnd akzeptieren, die lieben Mitbürger haben sie halt gewählt. Warum soll man aber diese Leute da noch akzeptieren? Ich frage mich heute, warum ich das alles eigentlich jahrelang in Diskussionen verteidigt habe. Man wähnte sich immer auf der “guten” aufgeklärten, realistisch-idealistischen Seite, gegen Nationalismus und beschränktes Denken. Die Nationalisten sitzen heute aber am Tisch mit der EU.
Polen und die Baltikstaaten waren ansonsten ja sehr “enagiert” in der Ukraine, wie es scheint. Und jetzt soll ich als EU-Bürger dafür in Geiselhaft genommen werden? Was geht mich der Mist an, den die da unbedingt anzetteln mussten, hab ich diese polnische Regierung gewählt?
KFG
1. April 2014 @ 23:19
Der unsägliche Schäuble hat ja recht wenn er sagt, daß das Völkerrecht in Europa seit 1945 längst ad absurdum geführt worden ist.
Die dafür Verantwortlichen faseln jetzt von Völkerrecht weil es ihnen gerade passt!
Marcel
1. April 2014 @ 20:55
Sowohl Russland, EU, USA und die Revolutionären in der Ukraine haben gleich viel Schuld an der jetzigen Situation. Der Westen provoziert Russland bis zum Limit und Russland bricht mal das Völkerrecht. Aber die Ukrainer haben die Misere selbst zu verschulden. Die Revolution wird nun von Faschisten angeführt und sogar Mutter Theresa Timoschenko ruft zum Mord an der russischen Bevölkerung auf. Das ist der einzige Grund den ich für eine Besetzung akzeptieren würde. Putin hätte wohl besser den Krim besetzen sollen und dann auf Verhandlungen setzen sollen. Bis es klare Garantien gibt, dass die russischen Menschen in der Ukraine keine Gefahr von Faschisten droht. Aber hier hat jeder dumm gehandelt.
Regierungs4tel
1. April 2014 @ 19:48
Berlin trägt (neben London) allein schon durch seine unsägliche EU-Personalpolitik die unmittelbare Verantwortung für das Krim-Desaster.
kielspratineurope / Karsten Lucke
1. April 2014 @ 19:31
Wie man nur dem Westen hier Eskalation vorwerfen kann, bleibt schleierhaft. Außer vor der Spaltung Europas zu warnen, gibt es keine Anleitung zum politischen Handeln. Putins Völkerrechtsbruch wird nicht erwähnt, weitere Moskauer Drohgebärden werden ausgeblendet. Kein Mensch hat den Kreml gezwungen, die Hand an europäische Grenzen zu legen und damit die Büchse der Pandorra zu öffnen. Russland sollte mit größerer Skepsis betrachtet werden. Diplomatie ist nie tot, aber momentan muss man Putin auch seine Grenzen aufzeigen.
Schäubles Hitler-Vergleich und der deutsche Reflex | kielspratineurope.eu
http://kielspratineurope.eu/?p=1748
Peter Nemschak
1. April 2014 @ 21:21
Dem kann ich voll zustimmen. Letztlich werden die nationalen, sprich : kommerziellen, Interessen der EU und Russlands sich durchsetzen. Von Spaltung Europas kann keine Rede sein.
ebo
1. April 2014 @ 23:34
Ich habe mich einfach auf Steinmeiers Credo bezogen: De-Eskalation und keine neue Spaltung. Du willst doch wohl im Ernst nicht behaupten, dass die EU- und Nato-Beschlüsse der letzten Wochen zu Entspannung und Annäherung an Russland geführt haben? Und wo ist der Friedensnobelpreisträger EU geblieben?
Peter Nemschak
2. April 2014 @ 09:08
Nachdem was passiert ist, wäre Annäherung Anbiederung und kontraproduktiv. Die Lage wird sich in den nächsten Monaten normalisieren, nur wird es realistischerweise keine “Partnerschaft” im bisherigen Sinn geben. Dazu sind die politischen und gesellschaftlichen Systeme, Interessen und Ambitionen zu weit voneinander entfernt. Allerdings legen die wechselseitigen Abhängigkeiten und kommerziellen Interessen ein gewisses Maß an Zusammenarbeit nahe.
ebo
2. April 2014 @ 09:13
Das sagt ein Österreicher, dessen Land neutral bleibt. Die Schweiz hat nicht mal Sanktionen verhängt. Und Kerry und Lawrow reden weiter miteinander – warum können das die EUropäer nicht? Warum müssen wir eine neue Mauer hochziehen? Wenn der Westen vor 89 so gehandelt hätte, wäre der Kalte Krieg nie zu Ende gegangen…