Die Schöne und das Plagiat (Update 20.4.11)

Mit solchen Freunden braucht man keinen Doktortitel, oder?

Die Spitzenkandidatin der FDP für die Europapawahl, Koch-Mehrin, muss sich mit einem Plagiatsvorwurf auseinandersetzen. Ähnlich wie Ex-Verteidigungsminister Guttenberg soll sie in ihrer Doktorarbeit zur Währungsunion fleissig abgeschrieben haben, ohne die Quellen zu nennen. Anders als im Fall Guttenberg gibt es diesmal allerdings niemanden, der sich geschädigt fühlt und öffentlich protestiert. Die Vorwürfe beruhen allein auf Angaben einer Website, in der anonyme Rechercheure nach nicht ausgewiesenen Fundstellen suchen.

Im Gegensatz zu Guttenberg hat Koch-Mehrin ihren Doktortitel auch nie besonders herausgestellt. Sie vertraute ganz auf ihr angenehmes Äußeres und auf Noch-FDP-Chef Westerwelle, um Karriere in Europa zu machen. Koch-Mehrin macht auch nicht den Fehler, die Vorwürfe als „abwegig“ abzutun und auf allen Kanälen ihre Unschuld zu beteuern – sie schweigt ganz einfach und verweist auf die Universität Heidelberg, die die Vorwürfe bereits prüft. Auch die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat sich mittlerweile auf Spurensuche begeben, wie die Tagesschau meldet. Mit Ergebnissen wird allerdings erst nach Ostern gerechnet.

Umso erstaunlicher, welche Ausmaße die mediale Empörung bereits jetzt angenommen hat. Nicht weniger als 400 Nachrichtenartikel weist Google-News heute morgen schon auf; Spiegel-Online war die Sache sogar einen Aufmacher wert. Der Artikel des Berliner Korrespondenten beschäftigte sich allerdings weniger mit den Plagiats-Vorwürfen und viel mehr mit der schillernden Persönlichkeit von Frau Koch-Mehrin. Sie hat sich mit Angriffen auf ihre männlichen Abgeordneten-Kollegen und mit einer hohen Abwesenheitsrate im Europaparlament angreifbar gemacht.

Ihre Kritiker meinen, Koch-Mehrin sei mehr mit Selbstdarstellung in bunten Illustrierten und illustren Talkshows als mit politischer Sacharbeit im Europaparlament beschäftigt. Diese Kritik ist durchaus ernst zu nehmen – die Plagiats-Vorwürfe wiegen im Vergleich dazu minder schwer. Offenbar wird hier eine Hexenjagd auf eine semi-prominente Frau veranstaltet, um einen viel prominenteren Mann zu treffen: Westerwelle. Dabei bereitet der ohnehin schon seinen Rückzug vor…

 

Nachtrag 20.4.11

Die SPD erhöht den Druck auf Koch-Mehrin, heißt es heute auf allen Kanälen, sogar in der ARD-Tagessschau. Das ist ungewollt komisch, denn bisher hat die SPD noch gar keinen Druck auf die FDP-Politikerin ausgeübt, sie hat nicht einmal das vermeintliche Plagiat aufgespürt. Es handelt sich also um einen klarer Fall von Trittbrettfahren im vorösterlichen Nachrichtenloch.

Immerhin haben die WiKi-Leute einige abgekupferte Stellen in der Dissertation belegen können. Doch offenbar zweifeln sie selbst an der Tragweite dieser Entdeckung. „Wenn wir das mit der Tour de France vergleichen, dann können wir sagen, dass wir Koch-Mehrin des Dopings überführt haben, während Guttenberg auf einem Motorrad davongefahren ist“, sagte ein „Vroniplag“-Sprecher der „Frankfurter Rundschau„. 

Ich würde eher sagen, Guttenberg hat sich auf einem Motorrad wegfahren lassen, während Koch-Mehrin trotz Doping auf der Stelle tritt…