Das Hinterland muckt auf

Frankreich hui, UK pfui: Seit dem Brexit haben sich die Kräfte-Verhältnisse in der EU verschoben. Doch in Deutschland hat man das bisher kaum wahrgenommen. Auch ein anderer wichtiger Trend wird zu wenig beachtet. – Teil 2 der Serie „Neuvermessung der EU“.


Welches Land verfügt über die größte „Soft Power“? Bis vor kurzem war dies, folgt man der PR-Firma Portland Communications, die USA. Doch die Wahl von Trump und der Brexit haben alles geändert.

Im neuesten Ranking steht plötzlich Frankreich auf dem ersten Platz. Trumps USA sind auf Platz drei zurückgefallen, der einstige Spitzenreiter UK muss sich mit dem zweiten Platz zufrieden geben.

Und Deutschland, das unter Kanzlerin Merkel ja angeblich die „freie Welt“ anführt, kommt nur auf den vierten Platz. Nanu?

Stimmt da etwas nicht mit der Berliner Selbstwahrnehmung? Wackelt die deutsche Dominanz in der EU, die sich bis zum Brexit wie selbstverständlich auf das Bündnis mit London stützte?

Furioser Start

Fest steht, dass sich Merkel warm anziehen muss. Unter Präsident Macron werde Frankreich nicht nur in der EU, sondern weltweit führen, so die amerikanischen PR-Experten.

Tatsächlich hat der neue Sonnenkönig einen furiosen Start hingelegt. Putin und Trump hat er schon um den Finger gewickelt, seine Ideen zur EU- und Euro-Reform bestimmen die Debatte.

Die „Macht in der Mitte“, die Merkel bisher wie selbstverständlich führte, steht nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie wird von Frankreich herausgefordert.

Osteuropa fällt ab

Und das ist nicht die einzige Neuerung im deutschen Europa. Das prekäre Gleichgewicht wird auch noch durch ein anderes Phänomen bedroht: den Bruch zwischen Ost- und Westeuropa.

Polen, Ungarn, die Slowakei, aber auch Österreich und der Balkan sagen sich zunehmend von den „Diktaten“ – pardon; Reformvorgaben – aus Berlin und Brüssel los. Das Hinterland muckt auf.

Das hat verschiedene Gründe. Merkels Flüchtlingspolitik,  die Hinhaltetaktik auf dem Balkan, der Erfolg der Nationalisten und Populisten – all das trägt zu einer neuen Spaltung in EUropa bei.

Ein ernstzunehmender Rivale

Die EU-Kommission hält zwar dagegen. Mit Vertragsverletzungs-Verfahren will sie den Osten nicht nur auf dem Pfad der rechtsstaatlichen Tugend, sondern auch der deutschen Disziplin halten.

Doch ob das gelingt, scheint fraglich. Kurz vor der Bundestagswahl ist Merkels EU in die Defensive geraten. Und anders als früher hat sie es diesmal mit einem ernstzunehmenden Rivalen zu tun.

Teil 1 der Serie „Neuvermessung der EU“ steht hier. Teil 3 folgt nach der Sommerpause