Merkels neue Achse
Kurz vor dem EU-Gipfel am Samstag stellt Kanzlerin Merkel wichtige Weichen. So will sie Spaniens Wirtschaftsminister De Guindos zum neuen Eurogruppenchef machen. Paris geht leer aus – honni soit qui mal y pense.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Im selben Moment, da die französische Regierung stürzt, weil ein Minister es wagte, Merkel zu kritisieren, gibt die Kanzlerin Paris einen Tritt in den Hintern.
Anders kann man es wohl nicht nennen, was Merkel in Madrid ausbaldowert hat: Ex-Finanzminister und Ex-Lehman-Manager De Guindos soll neuer Eurogruppenchef werden – und zwar hauptberuflich.
Jahrelang hatte Paris diese neue Funktion gefordert, jahrelang hatte Berlin sich dagegen gesträubt. Nun lenkt Merkel ein – und macht einen konservativen Spanier zum neuen Euro-Sprecher.
Unter De Guindos explodierten in Spanien die Staatsschulden
Dass unter De Guindos Ägide die Staatschulden explodierten (weil Madrid die privaten Bankschulden absichern musste) und die Arbeitslosigkeit katastrophale Ausmasse annahm, spielt keine Rolle.
Wichtig ist nur, dass Madrid brav den Vorgaben aus Berlin folgte – im Gegensatz zu Paris, das Merkel immer öfter links liegen lässt. Offenbar deutet sich da eine neue Achse an.
Es war auch höchste Zeit – denn das letzte Führungstrio, mit dem Merkel Paris ausgebootet hatte, hat ausgedient. Die Niederlande und Finnland, lange Berlins treue Bündnisgenossen, sind zu schwach.
Merkel-Kritik gilt als Majestätis-Beleidigung – in Paris
Beide Länder liegen wirtschaftlich am Boden – trotz “AAA” und Bestnoten in der Wettbewerbsfähigkeit. Zudem sind sie zu klein, um der neuen Südschiene Frankreich-Italien etwas entgegenzusetzen.
Eine Zeitlang sah es so aus, als könnten Paris und Rom, Arm in Arm mit den Genossen aus Berlin, den Austeritätskurs in der EU beenden. Es gab sogar mal ein medienwirksames Treffen Gabriel-Montebourg.
Doch nach dem Rausschmiss Montebourgs ist das vorbei. Seit Merkel-Kritik sogar in Paris als Majestätsbeleidigung gilt und entsprechend geahndet wird, ist wieder klar, wer in EUropa den Ton angibt…
photo credit: La Moncloa – Gobierno de España via photopin cc
winston
30. August 2014 @ 07:32
Flexible exchange rates help to absorb terms-of-trade shocks but other policy options available to insulate the economy from trade and terms-of-trade shocks are very limited”.
(Andrews and Rees, 2009)
Lloretta
29. August 2014 @ 06:56
Bei der Euro-Rettung ging es nicht nur um deutsche, sondern auch um französische Banken. Und andere Investoren.
ebo
29. August 2014 @ 09:57
Korrekt, aber Deutschland hing am tiefsten drin und hat auch den Ton angegeben. Remember 2010, Griechenland-Krise und Landtagswahlen NRW?
Peter Nemschak
29. August 2014 @ 10:58
Am Subsidiaritätsprinzip wird auch die Bankenunion nichts ändern mit dem einzigen Unterschied: zuerst muss der von den Banken gespeiste Rettungsfond für Schäden aufkommen, danach das betroffene Mitgliedsland und in letzter Instanz die Mitgliedsländer als Kollektiv.
Lloretta
30. August 2014 @ 15:22
Nein, so große Unterschiede gab es nicht.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/schuldenkrise-wer-die-groessten-griechen-risiken-traegt-a-770392.html
winston
30. August 2014 @ 18:58
Richtig, wobei Frankreich wiederum grösster Schuldner Deutschlands ist.
Irland, Spanien, Portugal und Griechenland wurden regelrecht mit Auslandskapital überschwemmt, wobei man das Länderrisiko komplett ausser acht lies, man dachte der Euro wird’s schon richten.
In Irland floss soviel Auslandskapital ins Land dass das BSP 4x überstieg, da drehte wohl bei einigen Bankern total die Sicherung durch.
Peter Nemschak
28. August 2014 @ 18:31
Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass Spanien im 1.Halbjahr Wachstumsmeister unter den Großen in der EU war.
Peter Nemschak
28. August 2014 @ 10:27
@ebo es ging darum, den deutschen Steuerzahler vor den Folgen der Bankenexzesse in Irland und im Süden zu schützen. Warum sollte der deutsche Steuerzahler für die jahrelange regionale spanische Korruption bei deren öffentlichen Banken (cajas) herhalten? Die anderen EU-Mitglieder mussten auch nicht für die Sanierung der Hypo Real Estate bluten.
Peter Nemschak
27. August 2014 @ 21:09
@ebo Bis Zypern passierte, konnten Banken, deutsche, österreichische und andere davon ausgehen, dass, zumindest was die Senior Debt betrifft, Banken von ihren Regierungen nicht fallen gelassen werden, da sonst die Bonität des jeweiligen Landes leiden würde (implizite Haftung des Staates). Dass soviel Geld in den Süden floss, hat damit zu tun, dass die Banken und Staaten im Süden etwas mehr für ihre Anleihen in Euro zahlten als Banken in Deutschland. Allerdings war der Renditeunterschied gering, was den Schluss nahe legte, dass keine namhafte Bank noch ein Staat im Euroraum fallen gelassen würde. Dieser Schluss war aus Einzelbanksicht auch nicht falsch.
Dass die lokalen Aufsichtsbehörden in ihrer Verantwortung eine Immobilienblase verhindern hätten können, sollte auch nicht unerwähnt bleiben. Genau diese (richtige)Politik verfolgt derzeit die Bank of England, wenn sie von den privaten Kreditnehmern erhöhte Eigenmitteleinschüsse bei Hypothekardarlehen fordert, um den in London bereits überhitzten Markt zu dämpfen. Dass Staatsanleihen von EU-Ländern, unabhängig von deren Bonität, nach wie vor von den in sie investierenden Banken nicht mit Eigenkapital zu unterlegen sind, zeigt, das die Bankenregulierung (Basel) nach wie vor mit schweren Fehlern behaftet ist. Dies beweist, dass, ohne die Banken exkulpieren zu wollen, auch der Staat nicht allwissend ist. Daher rührt u.a. meine Skepsis gegenüber den Bürokraten und ihrem Dirigismus.
Tim
28. August 2014 @ 07:37
Das Nullrisiko von Staatsanleihen ist tatsächlich ein Skandal. Das Signal der Politik an die Banken ist unmißverständlich: Seid so unbekümmert wie nur möglich, wir hauen Euch im Notfall immer raus. Natürlich steckt dahinter der nie endende Finanzhunger der Staaten, befeuert von allen politischen Lagern. Daß sich aber ausgerechnet auch die Linke hier als Drückerkolonne der Banken betätigt, ist ein Treppenwitz der Geschichte.
Hinzu kommt ja noch der unsinnige Ruf nach immer mehr unwirksamen Regulierungen – mit der Folge, daß nur noch sehr große Banken den gesetzlichen Bedingungen überhaupt entsprechen können. Auch hier kommen die lautesten Rufe aus dem linken Lager. Auch hier ist die Linke der beste Freund der Großbanken.
ebo
28. August 2014 @ 09:42
@Tim
Es war Merkel, die die Sozialisierung der privaten Bankschulden in ganz Euroland durchgedrückt hat – zu Lasten der Steuerzahler, zu Gunsten der deutschen Kapitaleigner. Denn es ging bei der ganzen Euro”Rettung” nur darum, die deutschen Banken und Anleger zu stützen, die sich im Ausland verzockt hatten. Übrigens weigert sich Schäuble bis heute, die Namen jener Institute offen zu legen, die von Finanzhilfen in den Eurokrisenländern profitiert haben.
Tim
28. August 2014 @ 10:05
@ ebo
Klar, Merkel kann in Euroland bekanntlich alles allein entscheiden. Wenn es nach Dir geht, ist sie wahrscheinlich auch für verregnete Sommerferien verantwortlich.
Hab ich in den letzten Jahren was verpaßt? Haben die anderen Regierungschefs für eine neoliberale Lösung mit harten Bankenpleiten gekämpft? Wäre ja schön gewesen, ist aber natürlich nicht passiert.
Merkel ist eine schlechte Kanzlerin, aber sie ist keine Diktatorin. “Entscheidungen durchdrücken”, “Spardiktat” – merkst Du überhaupt noch, was Du da manchmal schreibst?
ebo
28. August 2014 @ 11:02
Lies mal U. Beck “Das deutsche Europa” oder P. Legrain, den ehemaligen Barroso Berater