Die gestohlene Wahl

Nach der Wahl in Rom zeichnet sich ein Patt ab. Der Linksliberale Bersani gewinnt im Abgeordnetenhaus, der Rechtspopulist Berlusconi im Senat. Amtsinhaber Monti kommt trotz massiver Unterstützung aus Berlin nur knapp über 10 Prozent. Nun klagen alle über die „chaotischen“ Italiener – dabei hatten die keine echte Wahl.

Willkommen in der Postdemokratie! So sieht es also aus, wenn man ein krisengeschütteltes Land, das von Goldman Sachs-Experten und Eurokraten kaputtsaniert wurde, zu Wahlen ruft.

Die Italiener standen vor einer echten TINA-Entscheidung: Zu Monti und seiner Austeritätspolitik gebe es keine Alternative, tönte es aus Brüssel und aus Berlin, von links (SPD-Mann Schulz) bis rechts (Finanzminister Schäuble).

In der Tat: der Sozialdemokrat Bersani, Hoffnungsträger der Märkte und der Merkels, versäumte es, eine Alternative zu Monti aufzuzeigen. Er hielt sich sogar die Option offen, Monti wieder an die Macht zu bringen.

Wer gegen Sparkurs und Steuererhöhungen à la Monti war (und das war die überwältigende Mehrheit), konnte nur zwischen dem Politclown Grillo und dem Rechtspopulisten Berlusconi wählen.

Dass Grillo aus dem Stand zur drittstärksten Kraft wurde, ist wohl der Verzweifelung über diese fehlende Alternative geschuldet. Wer Berlusconi ablehnt und von Monti enttäuscht war, dem blieb nur der Clown.

Zusätzlich erschwert wurde die Entscheidung durch die massive Einmischung aus Brüssel und Berlin. Sage niemand, das sei die neue „europäische Innenpolitik“. Es ist eine Bevormundung, die nach hinten losging (vermutlich hat sie sogar Berlusconi geholfen und Monti geschadet).

Und dann sind da natürlich noch die Märkte. Sie haben sich erdreistet, die Wahl als erste zu kommentieren – und Italien sofort zu sanktionieren. Erst ging es an der Börse hoch, dann wieder runter, nun wartet alles auf die Spreads.

Analysten und Spekulanten stehlen den Italienern die Show, noch bevor die Wahlergebnisse ausgezählt sind. Und dann wollen sie natürlich auch das letzte Wort über die Krise in Italien haben (sie also noch verschärfen).

So tief sind wir in der „demokratischen Wertegemeinschaft EU“ gesunken. Vielleicht ist das nicht mal mehr eine Postdemokratie…