Die englische Gefahr

Rückt der britische EU-Austritt näher? Wahlerfolge der UKIP und der Streit um EU-Budget und Einwanderung nähren diese Sorge. Doch ein „Brexit“ wäre nicht das größte Problem. Die eigentliche Gefahr liegt woanders.

Der „Spiegel“ hat mal wieder ein Grusel-Thema gefunden: „Brexit – das Ende der (europäischen) Welt“ heißt das Motiv. Und wie immer soll Mutti, pardon: Kanzlerin Merkel, die Eiserne Lady spielen und rote Linien ziehen.

Doch so einfach ist das nicht. Erstens hat Merkel ihren Buddy Cameron keineswegs ultimativ in die Schranken gewiesen. Ausnahmsweise muss ich da mal dem „Telegraph“ recht geben:

No, Angela Merkel hasn’t issued an ‚ultimatum‘ to David Cameron over EU migrants

Zweitens wäre ein „Brexit“ nicht das Ende der Welt. Im Gegenteil: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Das habe ich in diesem Blog schon öfters erläutert, z.B. hier.

Die eigentliche Gefahr geht nämlich von dem krampfhaften Versuch aus, Großbritannien mit allerlei Zugeständnissen in der EU zu halten. Die Einwanderungspolitik ist ein gutes Beispiel – plötzlich will sie auch Merkel verschärfen.

Vorher hat sie schon gemeinsam mit Cameron das EU-Budget gekürzt, TTIP auf die Agenda gesetzt und die „Entbürokratisierung“ – sprich: De-Regulierung – vorangetrieben. Die EU ist so britischer geworden – und weniger sozial

Als nächstes könnte die Freizügigkeit für Arbeitnehmer fallen (natürlich nicht die fürs Kapital). Zudem möchte Cameron sich nun auch noch des Europäischen Menschenrechts-Gerichtshof entledigen.

Dort liegt allerdings wirklich eine rote Linie: Damit würde Cameron eindeutig den EU-Vertrag brechen; ein Stimmrechts-Entzug im Rat könnte die Folge sein. Dies wiederum würde UKIP & Co. stärken.

Das liegt denn auch die eigentliche englische Gefahr: dass Cameron, aus Angst vor den EU-Gegnern, seine Karten überreizt – und dass die EU, aus Angst vor einem Brexit, zu sehr nachgibt…

Zu diesem Thema habe ich auch auf dem Podium der Böll-Stiftung in Berlin gesprochen, mehr dazu hier.