Die Eliten zittern

Die Rückkehr Berlusconis in die italienische Innenpolitik schreckt die EU-Politiker auf. Ob Außenminister Westerwelle, Kanzlerin Merkel oder Währungskommissar Rehn – alle warnen vor einer Abkehr vom Sparkurs. Die Politik des Technokraten Monti sei alternativlos, heißt es unisono. In Wahrheit haben die EU-Granden Angst vor einem Verlust der Macht: der Konsens der konservativen Eliten bröckelt.

In der Eurokrise lassen sich grob drei Phasen unterscheiden. Die erste Phase war von wilden Attacken der Finanzmärkte geprägt. Nach Griechenland wurden systematisch alle “PIGS”-Staaten angegriffen. Die zweite Phase brachte die Krise in die Realwirtschaft. Nach den Ländern des Südens rutschte die gesamte Eurozone in die Rezession, selbst Deutschland ist kein “Motor” mehr.

Nun beginnt die dritte Phase: die Krise erreicht die Politik, genauer: die konservativen Eliten Europas. Bisher hatten sie es mit tatkräftiger Hilfe von Kanzlerin Merkel geschafft, die Linke zu schwächen. Erst wurde die Regierung in Athen gestürzt, dann die in Madrid, schließlich wurde die neue Linksregierung in Paris in die Enge gedrängt.

Die Rechte schreckte vor nichts zurück

Die Rechte schreckte dabei weder vor einem kalten Putsch wie in Italien noch vor massivem Bashing wie in Frankreich zurück. Rücksicht auf die angeblich so wichtigen Märkte nahmen sie dabei nicht – im Gegenteil: die gezielten deutschen Attacken gegen Paris nahmen eine Verschlechterung der Marktsituation Frankreichs billigend in Kauf; mache spekulierten wohl sogar darauf.

Doch nun ist die Rechte selbst geschwächt. In Frankreich und Großbritannien liegt sie schon am Boden, in Spanien steht sie mit dem Rücken zur Wand. Und jetzt fällt auch noch Italien, oder es könnte fallen. Ein Zufall ist das nicht:  Schließlich hat der Sparkurs von Monti die italienische Wirtschaft in die Rezession getrieben, seine Erfolge sind längst nicht so groß wie gern behauptet wird.

Zudem hat Monti von Merkel nicht die Unterstützung bekommen, die er sich erhofft hatte – etwa bei der Bankenunion oder bei den Eurobonds. Im Gegenteil: die Kanzlerin ließ “Super-Mario” allein im Regen stehen. Seit dem EU-Gipfel im Juni, bei dem Monti gegen Merkel punkten konnte, hat die Bundesregierung ein systematisches Rollback aller missliebigen Beschlüsse eingeleitet.

Merkel trägt Mitschuld am Scheitern Montis

Merkel trifft also ein gehöriges Maß Mitschuld am Scheitern Montis, so wie sie auch schon Mitverantwortung für die Niederlage des französischen Ex-Präsidenten Sarkozys trug. Ihre einseitige Sparpolitik und ihre Ignoranz gegenüber berechtigten Forderungen aus dem Süden haben die Rechte in Frankreich und Italien geschwächt; auch die spanische Regierung ist in Bedrängnis.

Dass es nun ausgerechnet der Hasardeur Berlusconi ist, der die konservativen Eliten zittern lässt, ist eine Ironie der Geschichte. Schließlich saß Berlusconi lange mit Merkozy in einem Boot, in der Einwanderungspolitik machten sie gemeinsame Sache. Erst der Schuldenschnitt in Athen, der von Merkel im Alleingang durchgeboxt wurde, brachte Italien ins Wanken – Berlusconi musste gehen.

Eine weitere Ironie ist, dass Berlusconi nun Merkel frontal angreift. “Die Monti-Regierung ist der deutschen Politik gefolgt. Dadurch hat sie eine Krisensituation geschaffen, die schlimmer ist als zu Zeiten unserer Regierung”, sagte Berlusconi dem Fernsehsender Canale 5. Der Cavaliere hat nicht ganz unrecht: zumindest lief die Konjunktur zu seiner Zeit besser als unter Monti (siehe dazu den interessanten Beitrag auf dem Blog “Geoliticio: “Mario Monti hat seine Mission erfüllt”).

Eine revolutionäre Situation?

Ich hoffe und glaube zwar nicht, dass Berlusconis Comeback gelingt. Dennoch hat er es fast über Nacht geschafft, die konservative EU-Elite in helle Aufruhr zu bringen. Nur noch in Deutschland hält der schwarzgelbgrünrote Sparkonsens, in fast allen anderen Ländern bröckelt er, sogar beim Lieblingspartner Holland. Die Bürger haben ohnehin die Schnauze voll, wie die zunehmenden Proteste zeigen.

“Eine revolutionäre Situation gibt es dann, wenn die oben nicht mehr können und die unten nicht mehr wollen”. Dieser Spruch wird Lenin zugeschrieben. Er hätte seine helle Freude an dem, was derzeit in Rom, Berlin und Brüssel passiert…