Deutschland unter Druck
In Berlin redet man nicht gerne darüber. Man will wohl die Wähler nicht beunruhigen. Doch kurz vor der Bundestagswahl steht Deutschland massiv unter Druck – von Freund und Feind, innerhalb und außerhalb der EU.
Fangen wir mit den Gegnern an: Polen fordert Reparationen für den Nazi-Terror im 2. Weltkrieg. Die Türkei fordert mehr Geld für die Flüchtlinge und die Auslieferung von Gülen-Anhängern und anderen „Terroristen“.
Vor allem Sultan Erdogan arbeitet dabei mit allen Tricks. Seine Fans bedrohen sogar deutsche Abgeordnete und Minister. Erdogan ist es auch, der sich in die Wahl einmischt – und nicht Putin, wie ständig behauptet wird.
Soll man auch Russland und die USA zu den Gegnern zählen? Fest steht, dass US-Präsident Trump versucht, die Russland-Sanktionen gegen Deutschland zu wenden. Putin hingegen hält (noch?) still.
Und nun zu unseren lieben Freunden. Auch sie machen Druck. Den Auftakt machte Kommissionschef Juncker mit seiner Rede zur Lage der Union – und einer übervollen EU-Agenda, die Berlin nun abarbeiten soll.
Während Junckers Vorschläge auf Merkel-Linie liegen, läßt sich das von Frankreichs Macron nicht behaupten. Macron fordert sie heraus – am 26.9. will er sich sogar mit einer Rede in die Koalitionsverhandlungen einmischen.
Das ist nicht die feine englische Art – aber Merkels Lavieren lässt ihm wohl keine Wahl. Sie hat sich vor der Wahl heimlich mit Juncker gesprochen, aber nicht verraten, was sie mit ihm ausgekungelt hat.
Dasselbe gilt für Ratspräsident Tusk: Auch er drängt Berlin, endlich Farbe zu bekennen. Schon nächsten Donnerstag will er auf einem Sondergipfel in Tallin Weichen für die Euro-Reform stellen.
Nichts von alldem wird dem deutschen Michel erklärt. Merkel und Möchtegernkanzler Schulz tun so, als könne er am Sonntag den lieb gewonnenen Status Quo wählen, vielleicht ein bißchen sozialer.
Die Probleme werden verdrängt, alle sollen auf Deutschland warten. Doch es ist eine Illusion zu glauben, die neue Regierung könne sich nach der Wahl einfach die besten Optionen aussuchen…
Siehe auch „Was Merkel geschafft hat – und was nicht“
Peter Nemschak
23. September 2017 @ 17:57
@ebo Waren die von den Genannten angebotenen Alternativen für Deutschland attraktiv? Jeder wollte seine eigene Suppe kochen und seine Machtposition innerhalb der Gemeinschaft stärken oder schlicht finanziell von der Gemeinschaft finanziell profitieren. Deutschland war sicher nicht das einzige Land, das seine nationalen Interessen in den Vordergrund gestellt hat, Daran wird sich auch in Zukunft wenig ändern. Es wäre schon viel erreicht, würde man das Projekt Klimaschutz als gemeinsames Projekt betreiben. Davon könnte der Wirtschaftsstandort Europa global profitieren.
ebo
23. September 2017 @ 18:09
Hat der Fiskalpakt der EU geholfen? Nein, er hat sie gespalten und schließlich zum Brexit geführt. Es war auch keine gute Idee, Frankreich und Italien zu marginaliseren. Die Rechnung für all das kommt nach der Wahl
Peter Nemschak
23. September 2017 @ 21:57
Niemand soll marginalisiert werden, aber der Wettbewerb der unterschiedlichen Gesellschaften, soll entscheiden, wer letztlich übrig bleiben wird. Wer will schon die politische Disziplinlosigkeit mediterraner Gesellschaften finanzieren? Jeder soll nach seiner Facon glücklich werden, aber auch die Kosten dafür tragen.
asisi1
23. September 2017 @ 17:30
die deutschen werden nach der Wahl genau solche gesichter machen, wie die Franzosen. sie wählten einen (…) bänker und regen sich jetzt auf. sie sind genau so hirnlos wie der deutsche Michel.
ebo
23. September 2017 @ 17:33
Kommentar gekürzt, Nazi-Jargon ist hier unerwünscht – ebo
Winston
23. September 2017 @ 22:15
Allerdings hat sich Le Pen bei der TV Debatte gegen Macron selbst ins Knie geschossen.
Frankreichs Hauptproblem bleibt bestehen, egal wer an der Macht ist. der Euro ist für Frankreich überbewertet, Frankreich muss abwerten, entweder extern via Währung oder intern via Arbeit (Saläre) und Sozialleistungen, da führt kein Weg vorbei.
Innerhalb einer Währungsunion mit fixierter Währung ist eine externe Abwertung nicht möglich, also bleibt nur die innere Abwertung. Ein Kampf gegen Windmühlen. Absolut unverständlich dass das die Linken nicht verstehen wollen. Bewusst oder unbewusst spielen die Linken das Spiel der Marktradikalen mit.
Der Euro ist nix anders als ein Goldstandard, allerdings sogar noch restriktiver. Er wird genau gleich enden. Im Desaster, siehe grosse Depression der 30er Jahre und anschliessenden WK 2.
Winston
23. September 2017 @ 11:42
Was soll den in Deutschland unter Druck sein ? Die Deutschen Wahlen sind ein völliges non event.
Das Rennen wird Merkel machen, also weiter mit dem Status-Quo. AfD ist weit weg. Ein bisschen Druck könnte für die Euro-Zone bei einer Schwarz-Gelben Koalition entstehen. Das wäre gut für den Euro im sinne von Euro-Aufwertung und schlecht für Draghi.
Wäre ich Merkel würde ich mich aus der Politik zurück ziehen. Man soll ja die Party verlassen wenn sie am schönsten ist. Die nächsten 4 Jahre werden imho sehr turbulent werden. Merkel droht dann die Euro Bombe in ihren Händen zu explodieren, Weidmann lässt grüssen.Merkel wird dann statt als grösste Kanzlerin aller Zeiten als grössten Flop ever in die Geschichtsbücher eingehen.
ebo
23. September 2017 @ 16:40
Merkel macht noch einen runden Rücken. Sie versucht, alles mit ihrem nächsten Koalitionspartner auszukungeln. Doch diesmal kommt sie nicht so leicht davon. Erdogan, Trump, Juncker, May und Tusk zerren an ihr. Wenn sie sich nicht bewegt und es schief geht, wird Deutschland Schuld sein…
Peter Nemschak
23. September 2017 @ 16:57
Schief gehen ist vom jeweiligen Standpunkt abhängig. Übertriebene Erwartungen sind jedenfalls nicht angebracht. Herausforderungen gibt es viele.
ebo
23. September 2017 @ 17:36
@Nemschak Erinnern Sie sich noch an Hollande? Er wollte Merkels Fiskalpakt durch eine Euro-Reform ersetzen – und scheiterte. Dann kam Cameron. Er forderte eine große EU-Reform – und scheiterte. Ähnlich erging es Tsipras und Renzi, alle ließ Merkel an sich abprallen. Immer standen nur Deutschlands Interessen im Vordergrund. Deshalb ist der Druck nun so groß.
Claus
22. September 2017 @ 16:34
Dieses abgründige Lavieren der Verantwortlichen in Berlin funktioniert nur ohne wirksame Opposition, Erinnerungen an die DDR-Volkskammer kommen auf. Da darf man gespannt sein, was dem deutschen Volk nach der Wahl aufgetischt wird. Schuldenschnitt Griechenland, Konsequenzen der ausweglosen Draghi-Finanzpolitik, Altersarmut, Thema Migration und Familiennachzug und die Auswirkungen dieses Komplexes auf den Bundeshaushalt.
Es bleibt spannend.
Peter Nemschak
22. September 2017 @ 15:57
Das Gesagte unterstreicht, wie zentral Deutschland in der EU ist. Jeder ist gespannt, welchen Weg das Land nach den Wahlen einschlagen wird, Freund und Feind haben unterschiedliche Hoffnungen. Lassen wir uns überraschen.
ebo
22. September 2017 @ 17:24
Na klar. Die ganze Welt bewegt sich, Deutschland nicht. So kann man sich auch in den Mittelpunkt rücken 🙂
Peter Nemschak
22. September 2017 @ 19:16
Das mag Sie und eine Minderheit stören. Stört es die Mehrheit der Bürger, die erfolgreich ihren Geschäften nachgehen und wenig Zeit haben sich mit Politik zu beschäftigen? Erfahrungsgemäß ist die Partizipation außerhalb von Wahlen gering, insbesondere wenn die Wirtschaft gut läuft und es dem Land relativ besser als anderen geht. Bei den kommenden Wahlen wird die Ausländerfrage einen Einfluss haben. Die AfD wird in den Bundestag einziehen, was etwas Bewegung in die politische Landschaft bringen wird. Von der zukünftigen Koalition wird es abhängen, ob der Schwerpunkt auf etwas mehr liberal oder sozial liegen wird. Europafreundlich sind alle in Frage kommenden Koalitionsparteien.
Oudejans
22. September 2017 @ 15:51
Wenn es einen Grund für Merkels Wiederwahl gibt, dann diesen: Strafe. Auslöffeln der Suppe, die die Koalition seit 2013 angerührt hat, beginnend mit der aktiv unterstützten Destab der Ukraine. Kein Tropfen ist zu verschütten.