Deutschland blockiert Euro-Reform
Alle regen sich über Italien auf, weil es die (deutsche) EU-Agenda blockiert. Kommissionschef Juncker sagt sogar, er balle die Faust, wenn er nun an Premier Renzi denke. Dabei blockiert auch Deutschland.
Heimlich, still und leise hat das größte EU-Land die geplante Reform des Euro zu Grabe getragen. Wie sie aussehen könnte, hatten Juncker und vier weitere EU-Chefs im “Fünf-Präsidenten-Papier” skizziert.
Doch weil Kanzlerin Merkel die darin enthaltene, von Renzi vehement geforderte Vollendung der Bankenunion nicht gefällt (sie schließt die umstrittene Einlagensicherung mit ein), hat sie nun die gesamte Reform blockiert.
Erst setzte Merkel durch, dass das Reformpapier nicht in die Beschlüsse des EU-Gipfels eingeht. Nun legte sie auch noch ihr Veto gegen eine Reformarbeitsgruppe ein. Der Fünf-Präsidenten-Bericht ist tot.
Das sollte eigentlich nicht nur Juncker empören, sondern auch Schulz, Draghi, Dijsselbloem und Tusk, die den Bericht mitformuliert haben. Doch wenn Merkel Nein sagt, ist es Nein…
Mehr zur Eurokrise hier
Johannes
18. Januar 2016 @ 06:47
Deutschland soll die Banken in Italien retten. Dafür ist man sich für nichts zu schade.
Italien fordert die Vollendung just in dem Moment, wo viele Banken in dem Land Probleme haben.
Ist das hier ein EU Blog oder doch ein Banken-Lobby Blog?
Lasst die sch…. Banken endlich mal PLEITE gehen. Ich kann es nicht mehr hören.
Peter Nemschak
17. Januar 2016 @ 12:39
Nochmals zur Klarstellung für alle, die diesem Blog folgen: in Italien haben Kleinanleger Geld verloren, weil sie ihr Geld in nachrangige Anleihen einer Bank gesteckt haben. Hätten sie ihre Ersparnisse als Spareinlage gehalten, wären sie bis zu einem Betrag von Eur 100.000 ungeschoren davon gekommen. Man darf nicht einerseits zu Recht fordern, dass der Steuerzahler bei Bankpleiten geschont wird, gleichzeitig aber skandalisieren, dass Anleger, egal ob groß oder klein, ihr Geld verlieren, wenn sie es in risikoreiche Bankprodukte investieren. Das ist unseriöse Polemik. Mehr Faktentreue und Objektivität dieseits sozialpolitischer Wunschvorstellungen würde die Glaubwürdigkeit dieses Blogs stärken.
ebo
17. Januar 2016 @ 13:40
http://www.ft.com/intl/cms/s/0/55c6fa9c-baaa-11e5-b151-8e15c9a029fb.html#axzz3xQZ3a254
Peter Nemschak
16. Januar 2016 @ 16:41
@ebo die Regeln der EU sehen keine Kleinsparerbeteiligung bei Bankenpleiten und – Sanierungen vor. Die EUR 100.000 Regel gilt auch in Italien. Beträge darunter werden im Bankenkonkurs und bei Restrukturierungen nicht angegriffen. Haben Sie eine gegenteilige Information, was die Regeln betrifft?
bonjour
16. Januar 2016 @ 15:30
Norbert Haering analysiert eingehend den Fünfpräsidenten-Bericht:
Der Weg zum postdemokratischen Europa, 27.7.15
http://norberthaering.de/de/27-german/news/448-fuenfpraesidentenbericht-2#weiterlesen
ebo
16. Januar 2016 @ 15:34
Klar, die Kritik ist auch berechtigt. Doch darum geht es Berlin nicht. Schäuble möchte den Weg zum postdemokratischen Europa sogar noch beschleunigen – und jeden Ansatz von demokratischer Mitentscheidung in Brüssel zerstören. Merkel arbeitet derweil daran, gemeinsam mit Cameron die “Wettbewerbsfähigkeit” zum Fetisch zu erheben, dem alles andere untergeordnet wird…
Peter Nemschak
16. Januar 2016 @ 13:36
In Deutschland besteht tiefes Misstrauen in die Reformbereitschaft der anderen EU-Mitglieder. Dass Renzi die italienischen Bankprobleme – Rekapitalisierung – lieber auf dem Rücken des europäischen Steuerzahlers statt auf dem der italienischen Bürger lösen will, macht die Haltung Deutschlands verständlich. Mittlerweile gilt das Prinzip, dass bei Bankensanierungen in erster Linie Aktionäre, Anleihegläubiger und Einleger über Eur 100.000, danach der nationale Steuerzahler und erst in letzter Instanz der europäischer Steuerzahler bluten müssen. Die Folgen jüngster italienischer Bankpleiten möchte Renzi den betroffenen italienischen Gläubigern und Einlegern aus innenpolitischen Gründen ersparen. Diese Einstellung erzeugt verständlicherweise Misstrauen in Deutschland und bei den anderen Nettozahlern. Solange der Süden in der EU eine Transfer-melkkuh sieht, um alte Strukturen und gesellschaftliche Gewohnheiten weiterhin aufrechterhalten zu können, werden die Nettozahler zurückhaltend agieren. Europa braucht dringend eine gemeinsame Vorwärtsstrategie, die allerdings grundlegende Reformen erfordert: weg von steigender Arbeitsproduktivität, die bei geringem nachhaltig zu erwartenden Wachstum zunehmende Arbeitslosigkeit erzeugt, hin zu einer erhöhten Energieproduktivität, um die Gesamtproduktivität zu steigern, mit anderen Worten nachhaltiges Wachstum auch im Sinne der globalen Ressourcenschonung und Verlangsamung des Klimawandels. Die dafür nötigen finanziellen Ressourcen sind durch Umschichtungen in den nationalen Budgets und eine grundlegend geänderte Besteuerungspolitik (Unternehmenssteuern und Finanztransaktionssteuer, Energie- statt Arbeitsbesteuerung) auf europäischer Ebene finanzierbar. Was fehlt, ist der Mut zum gemeinsamen europäischen Handeln. Besitzstandswahrung ist politisch bequemer als der Schritt nach vorne. Das führt zu einer gegenseitigen Blockade und entsprechend unproduktiven Schuldzuweisungen der politischen Eliten. Dadurch bleiben europäische Migrations- und Arbeitsmarktprobleme ungelöst. Unsinnige Junktimierungen helfen nicht weiter. Wahrscheinlich braucht die EU neue politische Gesichter an der Spitze der führenden Nationalstaaten, sowohl im Norden wie im Süden.
ebo
16. Januar 2016 @ 13:54
Den Bericht haben die Herren Juncker, Dijsselbloem, Tusk, Draghi und Schulz geschrieben, also die gesamte EU-Führungsriege. Merkel tut ihn mit einem Federstrich ab, und Sie tun so, als sei das völlig normal? Ich dachte Sie, wären ein überzeugter EUropäer? – Als Nächsteswird Merkel natürlich Österreich fallen lassen, es ist ja schon im Gange
Peter Nemschak
16. Januar 2016 @ 14:33
Warum versucht Renzi in jüngster Zeit seine italienischen Bankprobleme ohne Not zu europäisieren? Es besteht, meines Erachtens zu Recht die Befürchtung, dass die Bankenunion, die subsidiär wirken soll, dazu missbraucht wird, nationale Probleme, die bevor sie auf europäische Ebene kommen, national gelöst werden müssen, zu lösen. Was ist mit der gemeinsamen Wachstumsstrategie, mit der gemeinsamen Migrationsstrategie – beides genuine europäische Themen? Die Bankenunion ist ein Mittel zum Zweck und keine Selbstbedienungsmaschinerie, wie sie sich manche, zuletzt Renzi, im nationalen italienischen Interesse vorstellen. Das Prinzip der Subsidiarität hat Renzi nicht verstanden. Vielleicht können es ihm seine europäischen Politikerkollegen erklären.
ebo
16. Januar 2016 @ 14:36
In Italien sind erstmals Kleinsparer bei einer Banken-Abwicklung enteignet worden – so wie es die neuen EU-Regeln vorsehen. Stellen sie sich mal vor, das wäre in Österreich oder gar in Deutschland passiert…
DerDicke
16. Januar 2016 @ 12:35
Mittlerweile ist es schon egal – Bankenunion oder nicht, hier etwas gerettet und dort nicht. Der Weg, den die Zentralbanken weltweit eingeschlagen haben – Geld drucken ohne Limit – hat bisher in 100% der Fälle in die Hyperinflation und den Kollaps geführt. Was macht da noch 1 Jahr hin oder her?
http://www.rottmeyer.de/schwere-see-voraus/
„Es endet immer auf diese Weise. Wenn Sie zurückschauen auf das alte Rom, auf die Ming Dynastie oder auf Simbabwe – immer, immer, immer endet es auf diese Weise. Wir reden hier über das Endspiel, und das ist unangenehm.“
(Ex-Fed-Gouverneur L. Lindsay, Mai 2015)