Verdrängt und vorbelastet

Beim EU-Gipfel dreht sich wieder alles um die deutsch-türkische Achse, die Kanzlerin Merkel hinter dem Rücken ihrer “Partner” (Tusk, Hollande…) aufgebaut hat. Das weckt unschöne Erinnerungen.


[dropcap]M[/dropcap]an spricht ja nicht gerne darüber. Aber Deutschland pflegt schon seit dem 11. Jahrhundert innige Kontakte zur Türkei. Es begann – laut Wikipedia – im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.

Damals arbeiteten die Germanen mit dem türkischen Sultanat der Rum-Seldschuken zusammen. Im Heer des Sultans dienten die nicht steuerpflichtigen Turkomanen sowie Araber, später auch gefangene Christen sowie georgische und fränkische Söldner.

Die Kontakte intensivierten sich zu Zeiten des Osmanischen Reiches und führten zu zahlreichen deutschen Militärmissionen, was die Türken mit veranlasste, auf Seiten der Mittelmächte in den 1. Weltkrieg einzutreten.

Unter anderem wurde der Sieg im 30-Tage-Krieg gegen Griechenland 1897 als Erfolg der deutschen Militärreformer angesehen, wobei auch der Nutzen der Anatolischen Bahn für Militär-Zwecke erprobt worden war.

Auch folgte daraus eine vorübergehende Konsolidierung der Herrschaft des Sultans, die selbst die Bestrebungen der Europäer um eine Lösung der Armenierfrage für Jahre abrupt beendete.

Bis heute umstritten ist die deutsche Rolle beim Völkermord an den Armeniern. Eine mögliche Mitschuld wurde verdrängt, die Aufarbeitung auf beiden Seiten jahrzehntelang verschleppt.

Verdrängung und Obstruktion

Die Obstruktion zieht sich bis in unsere Tage. So hat der Bundestag die Verabschiedung einer Armenien-Resolution noch im Herbst 2015 vertagt, um die Türkei während der Verhandlungen über die Flüchtlingspolitik nicht zu verärgern.

Komisch eigentlich, dass sich an diese wilde, innige Vorgeschichte heute niemand erinnern möchte. Dabei wäre die Türkei, sollte sie eines Tages EU-Mitglied werden, auf einen Schlag das größte EU-Land.

Deutschland wäre nur noch die Nummer zwei. Doch zusammen mit Ankara könnte Berlin die EU-Politik noch stärker prägen als heute schon. Paris und London müssten sich dann warm anziehen…

Foto: Wikipedia Commons