Mit heißer Luft in die nächste Krise

So schnell kann’s gehen! Frankreichs Präsident Macron brauchte neun Monate, um seine Vorschläge zur EU-Reform voran zu treiben. Kanzlerin Merkel dagegen brauchte nur einen einzigen Tag, um im Asylstreit EU-Hilfe zu rufen.

Quasi über Nacht organisierten Kommissionschef Juncker und sein Adlatus Selmayr einen Sondergipfel für Merkel. Das deutsche EUropa funktioniert also noch – jedenfalls wenn es gilt, die CDU und ihre Chefin zu retten.

Macrons „Neugründung“ der EU  hingegen kommt nur quälend langsam voran, und dann auch nur symbolisch. Der Präsident konnte beim Treffen mit Merkel in Meseberg zwar sein geliebtes Euro-Budget durchsetzen.

Doch es soll erst 2021 aufgelegt werden – also viel zu spät, um auf den sich abzeichnenden Konjunkturknick in Euroland oder eine mögliche Krise in Italien oder Irland (etwa nach einem chaotischen Brexit) zu reagieren.

Zudem enthält der deutsch-französische Plan keine Zahlen – er ist eine vage Luftnummer! Klar ist nur, dass über Ausgaben die EU-Kommission entscheidet – das neue Budget wird nicht autonom, wie Macron es wollte.

Es ähnelt zudem einem Vorschlag, den der deutsche EU-Kommissar Oettinger schon Ende 2017 gemacht hatte. Ein Zufall ist das sicher nicht. Merkel hat Oettinger entsprechend gebrieft; Juncker hat auch das mitgemacht.

Das Endergebnis ist eben kein deutsch-französischer Kompromiss, wie früher mal üblich. Es ist auch kein visionärer Plan, der aus einem Wettbewerb der Ideen hervorgegangen wäre, wie es sich Macron wohl gewünscht hatte.

Es ist der kleinste gemeinsame Nenner, für den Merkel zudem noch über die Brüsseler Bande gespielt hat. Und sie dürfte noch einmal über die Bande spielen – beim EU-Gipfel Ende kommender Woche.

Dort werden die Niederlande und ihre Verbündeten versuchen, das Euro-Budget weiter einzudampfen. Am Ende könnte von der deutsch-französischen Luftnummer nur eins übrig bleiben: heiße Luft.

Merkel jedenfalls dürfte kaum Widerstand leisten. Denn zum einen hat sie Macrons Pläne nie geteilt – ohne den Brexit hätte sie sich wohl auch nie darauf eingelassen. Zum anderen steht sie weiter unter Druck aus der CSU.

Die Christsozialen eröffneten am Mittwoch eine neue Front – gegen das Euro-Budget. Und so geht es mit heißer Luft und ganz viel deutsch-französischem Pathos in die nächste Krise…

WATCHLIST:

  • Am Donnerstag will die Eurogruppe Griechenland offiziell aus dem dritten Hilfsprogramm verabschieden. Doch in die Freiheit wird Athen noch lange nicht entlassen – Berlin fordert auch nach dem Ende des Bailouts strikte Kontrollen.

Siehe auch „Kommt der 4. Bailout – durch die Hintertür?“

WAS FEHLT:

  • Ein Aufstand der Anständigen gegen den sich ausbreitenden Rassismus. Dies meinen „Spiegel“-Kolumnist G. Dietz und anderer Unterzeichner des Appells „Solidarität statt Heimat“. Ein wichtiger Denkanstoß, wie ich finde – er steht hier.
  • Upload-Filter und Leistungsschutzrecht. Bisher hat die EU da nicht mitgemacht, doch nun hat der Rechtsausschuss des Europaparlaments grünes Licht gegeben. Im Plenum kann die umstrittene Reform indes noch korrigiert werden.