Der Streit um “Better Regulation”

Die Dauer-Kritik der Wirtschaft an der Brüsseler Bürokratie zeigt Wirkung: Die EU-Kommission will künftig weniger Gesetze vorlegen, dafür aber mehr Folgenabschätzung betreiben.

Dies kündigte der für „bessere Gesetzgebung“ zuständige EU-Kommissionvize Timmermans am Dienstag in Straßburg an. Durch die Folgenabschätzung sollen „bürokratische Lasten“ für Firmen verringert und unnötige Regeln verhindert werden.

Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen zählen auch eine bessere Beteiligung von Bürgern und Unternehmen, mehr Transparenz und die ständige Überprüfung des geltenden EU-Rechts. Dazu sollen eigens  neue Gremien mit unabhängigen Experten geschaffen werden.

Die Industrie begrüßte den Vorstoß in höchsten Tönen. Bei der Überprüfung der EU-Gesetze müssten Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumsfreundlichkeit obenan stehen, forderte der europäische Industrie-Dachverband Businesseurope.

Timmermans ist zwar Sozialdemokrat, gilt  aber als industrienah. Kurz nach seinem Amtsantritt im Herbst 2014 hatte er bereits 83 von 450 geplanten Gesetzes-Initativen von der Kommissionsagenda gestrichen.

Dem Streichkonzert fielen damals auch Sozial- und Umweltgesetze zum Opfer, etwa zum Mutterschutz oder zum Recycling. Gewerkschaften und Umweltverbände fürchten daher nun neuen sozial- und umweltpolitischen Kahlschlag.

Gesetze fürs Big Business?

Um das Schlimmste zu verhindern, haben mehr als 50 NGOs in Brüssel einen „Better Regulation Watchdog“ gegründet, der die Bürokratie-Bekämpfer überwachen soll.

Sie fürchten, dass künftig nur noch Gesetze fürs Big Business gemacht werden und der Schutz der Bürger zu kurz kommt.

„Was die EU-Kommission als bessere Gesetzgebung bezeichnet, bedeutet in Wahrheit Deregulierung“, warnt Magda Stoczkiewicz, Direktorin von Friends of the Earth Europe.

Mit Sorge beobachtet man die Initiative auch im Europaparlament, wo Timmermans seine Ideen vorstellte. Denn die Pflicht zur Folgenabschätzung könnte die demokratische Mitentscheidung behindern.

“Machtanmaßung der Exekutive”

„Wir werden uns gegen diese Machtanmaßung der Exekutive wehren“, warnte der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer. „Nötig ist mehr Demokratie und nicht ein möglichst ungestörtes Doppelspiel zwischen Lobbyisten und Bürokraten.“

Zufrieden zeigten sich dagegen die Liberalen. Die EU-Kommission solle aber noch weiter gehen und auch die Umsetzung von EU-Gesetzen in nationale Gesetzgebung prüfen, forderte deren Fraktionschef Verhofstadt.

Am Ende sollte nur noch ein EU-Gesetz stehen – anstatt 28 nationaler Regelwerke in den 28 EU-Mitgliedsländern. Es wäre eine Art Einheitsgesetz – der Traum für einen Föderalisten wie Verhofstadt…