Der Schotten-Schock

In zehn Tagen könnte sich Schottland vom Vereinigten Königreich abspalten. Allein schon die Aussicht versetzt EUropa einen Schock: In London kam das Pfund unter massiven Druck. In Brüssel geriet die EU-Kommission in Erklärungsnot – wie immer, wenn es um Demokratie geht.

Das Pfund reagierte wie ein Fieberthermometer: Am Montag fiel die britische Währung gegenüber dem amerikanischen Dollar um knapp 0,9 Prozent auf 1,62 Dollar. Das ist der tiefste Stand in diesem Jahr.

Auch zum Euro gab das Pfund nach. Noch vor kurzem spotteten die Briten über die Eurokrise – nun stecken sie selbst im Schlamassel. Denn die Devisenhändler stellen sich schon jetzt die bange Frage, wie es nach einem „No“ zu UK weitergeht.

Bekommt Schottland dann den Euro? Was wird aus den schottischen Banken, können sie weiter in Pfund Geschäfte abwickeln? Und was ist mit den britischen Staatsschulden – bleibt London darauf am Ende alleine sitzen?

Für London wäre das wohl das „Worst case“ Szenario: Wenn die Schotten in Euro zahlen und die Engländer die Zeche zahlen müssen. Das Vereinigte Königreich würde dann nicht nur zu einem Kleinbritannien schrumpfen.

Auch die City, Europas größter Finanzplatz, würde an Macht verlieren. Eurocity Frankfurt hingegen wäre gestärkt.

Aber auch in Brüssel macht man sich Sorgen. Auf den Zerfall eines Mitgliedslandes ist die EU nicht vorbereitet. Ein unabhängiges Schottland könnte Schule machen – in Spanien (Baskenland, Katalonien), Frankreich (Korsika) oder Belgien (Flandern).

Zudem stemmt sich die EU gerade mit aller Kraft – und neuen Wirtschaftssanktionen – gegen den Zerfall der Ukraine.

Dass sich nun 51 Prozent der Schotten für die Unabhängigkeit aussprechen – so die letzte Umfrage – macht  sogar die Sprecherin von Noch-Kommissionschef Barroso sprachlos.

„Wir respektieren den laufenden demokratischen Prozess und wollen das nicht weiter kommentieren“, sagte sie am Montag in Brüssel. Was das Votum für die EU und den Euro bedeutet, ließ sie offen.

Dabei hat sich Barroso längst festgelegt. In einem Brief an das britische House of Lords vertrat er schon 2012 die Auffassung, dass Schottland nach der Unabhängigkeit nicht mehr Teil der EU wäre. Mehr noch: Die EU-Verträge würden in dem frisch gebackenen Land ihre Gültigkeit verlieren.

Die neue schottische Regierung müsste erst wieder die EU-Mitgliedschaft beantragen – und alle müssten zustimmen.

Dies würde nicht nur eine monate- oder gar jahrelange Hängepartie auslösen. Wenn sich Barrosos Auffassung durchsetzt, hätte der britische Premier David Cameron – ein politischer Freund Barrosos – sogar ein Vetorecht.

Er könnte Schottland also den EU-Beitritt verweigern – und damit auch den Zugang zum Euro. Denn nur EU-Mitglieder können die Gemeinschaftswährung einführen.

Doch sieht das auch Barroso-Nachfolger Juncker so? Und was passiert, wenn UK selbst aus der EU austritt? Nobody knows. EUropa droht der nächste Schock – ausgerechnet aus dem besonders EU-freundlichen Schottland…

Siehe auch „Brits raus, Scots rein“