Der nächste schmutzige Deal?
Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind auf einem Tiefpunkt angelangt. Wie soll es weitergehen? Der belgische “Soir” skizziert eine mögliche Lösung – es wäre der nächste schmutzige Deal.
“Kanzlerin Merkel könnte sich ein weiteres Mal der Erpressung Erdogans beugen”, schreibt das Blatt aus Brüssel. Schließlich sei Merkel in einer schwierigen Lage – und auf den Sultan angewiesen.
Und so läuft der Deal: Erdogan lässt den inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Yücel “überraschend” frei. Im Gegenzug darf der Sultan “ausnahmsweise” noch einmal in Deutschland Wahlkampf machen.
Der “Soir” nennt sogar schon ein Datum für diesen Erpressungsversuch: Erdogan wolle zwischen dem 27. März und dem 9. April nach Deutschland kommen. Das wäre eine Woche vor dem türkischen Referendum.
Merkel soll also einwilligen, dass ein türkischer Autokrat auf deutschem Boden für den Übergang zur Alleinherrschaft wirbt. Im Gegenzug käme Yücel frei – und der schmutzige Flüchtlingsdeal könnte auch halten.
Der Bericht kommt übrigens vom “Soir”-Korrespondenten aus Berlin; auch die deutsche Presse müsste über diese Informationen verfügen. Doch unsere Medien tun so, als tappten sie im Dunkeln.
Und was macht die EU? Sie schweigt. Schließlich will man sich ja nicht in den deutschen Wahlkampf einmischen – und schon gar nicht in den türkischen….
Peter Nemschak
5. März 2017 @ 13:32
@ebo Dass Merkel nicht Wahlkampf in der Türkei betreibt, hat zwei naheliegende Gründe: die Anzahl der Deutschen, die in die Türkei migriert sind und in Deutschland wahlberechtigt wären, lohnt keinen Ausflug dorthin. Zweitens ist Deutschland im Unterschied zur Türkei eine liberale Demokratie.
Peter Nemschak
5. März 2017 @ 09:15
@S.B. Wie wäre es damit, unsere Städte wie früher wieder mit Stadtmauern zu umgeben? Sie haben das Pech, dass Sie ein paar hundert Jahre zu spät auf die Welt gekommen sind.
S.B.
5. März 2017 @ 10:40
@Peter Nemschak: Wie konnte es nur jemals so weit kommen, dass es Stadtmauern und Landesgrenzen gab? Gab es dafür möglicherweise berechtigte Gründe? Ach ne, da denken wir lieber nicht drüber nach. Da fühlen wir uns nur in unserer heiligen “Weltoffenheit” gestört, wir tollen, über allem stehenden “Weltbürger”, nicht wahr?
Peter Nemschak
5. März 2017 @ 14:00
Die Stadtmauern von heute befinden sich in den Gehirnen vieler Mitbürger.
S.B.
5. März 2017 @ 14:16
@Peter Nemschak: Ja und die “weltoffenen” Bürger haben ganz vergessen, warum es sie berechtigterweise gab und gibt. Aber sie werden es wieder lernen, ganz sicher. Kleine Hilfestellung: Kann es sein, dass die Mauern eine Schutzfunktion gegen fremde Invasoren hatten, die sich mit Gewalt nehmen wollten, was ihnen nicht gehörte? Aber sowas gibt’s ja heute in der politisch-korrekten Welt der Gutmenschen nicht mehr. Ja, das wird ein böses Erwachen…
Peter Nemschak
5. März 2017 @ 09:10
Letztlich wird es auch Erdogan trotz aller Provokationen im Eigeninteresse nicht auf die Spitze treiben.
ebo
5. März 2017 @ 10:17
Sie malen wieder alles in rosarot. Dabei schlägt Österreich nun ein EU weites Auftrittsverbot für Erdogans Minister vor, wohl nicht ohne Grund.
Peter Nemschak
5. März 2017 @ 10:36
Wie wäre es damit, dass die türkische Opposition ihrerseits eine Wahlveranstaltung abhält. Alle müssen sich aber an das geltende Demonstrationsrecht halten.
ebo
5. März 2017 @ 11:12
Warum soll der türkische “Wahlkampf”, der in Wahrheit die Akklamation eines Autokraten ist, auf europäischem Boden ausgetragen werden? Macht Merkel Wahlkampf in der Türkei? Eben.
GS
4. März 2017 @ 15:13
Dieses Szenario ist gar nicht so unwahrscheinlich. Ich weigere mich aber, das als Deal zu bezeichnen. Denn Deal impliziert, dass man sich auf Augenhöhe befindet. Was hier aber passiert, ist, dass Merkel wieder einmal am Nasenring durch die Manege gezogen wird. Der Umgang mit Erdogan ist beinahe unglaublich blamabel. Mit den einfachsten Bauerntricks lässt man sich erpressen. Gibt es in Deutschland eigentlich noch so etwas wie Staatsräson, Anstand und Ehre?
Man könnte sich kaputtlachen. Ein Land wie die Türkei, das ein gewaltiges Leistungsbilanzdefizit hat und von externen Kapitalzuflüssen abhängig ist, und unter Sanktionen richtig leiden würde, kann machen, was es will. Ein Land wie Russland, das Leistungsbilanzüberschüsse hat, das mit Sanktionen daher weit weniger zu treffen ist, wird mit eben jenen überzogen. Es ist unfassbar, wie blöd die Deutschen und EUropäer sind. Der ganze Spaß, weil eine deutsche Regierungschefin sich in eine Sackgasse manövriert hat, aus der es kein Entkommen mehr gibt. September 2017: Abwahl.
ebo
4. März 2017 @ 15:18
Das Debakel zeigt auch, wie es um die EU, ihre Werte und ihre Außenpolitik steht: Sie sind nicht mehr vorhanden. Nur noch in Sonntagsreden tauchen sie auf, leider!
Peter Nemschak
4. März 2017 @ 17:36
Ein Staatenbund ist keine Gemeinschaft der Heiligen. Interessengemeinschaft bestimmt das Ausmaß der Wertegemeinschaft.
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ebo
4. März 2017 @ 17:41
Das klingt wie ein Freibrief für Erdogan. Darf er wirklich ungestraft der Bundesregierung “Faschismus” vorwerfen und mit einer “Flüchtlingsflut” nach EUropa drohen? Von den täglichen militärisachen Provokationen in der Ägäis mal ganz abgesehen…
S.B.
4. März 2017 @ 17:58
@ebo: Das darf Erdogan nur, weil die geisteskranke Merkel in ihrem Globalisierungswahn ihre “Weltoffenheit” ausleben will und sich deshalb davon abhängig macht, andere die Mauern bauen zu lassen, anstatt selbst die eigenen Grenzen zu sichern. Dann ist sie natürlich extrem abhängig, unter Umständen auch von den übelsten Typen, die in der Politik herumlaufen. Aber gleich und gleich gesellt sich eben gern.
Zum Deal Wahlkampf in D gegen Freilassung von Yücel. Also das wäre in jeder Hinsicht der schlechteste Deal ever. Erdogan und Yücel sind gerade da, wo sie hingehören: in der Türkei. Keinen von beiden wollen wir in D haben. Es gibt als keinerlei Grund für einen Deal, da der Optimalzustand schon erreicht ist.
Peter Nemschak
4. März 2017 @ 12:43
Es wird nicht der letzte “schmutzige” Deal bleiben. Umgekehrt mussten wir in Europa anti-Erdogandemonstrationen der Kurden periodisch über uns ergehen lassen. Wenn, dann müsste man generell Demonstrationen betreffend ausländische Anliegen bei uns verbieten. Nachdem aber nicht zu übersehende Volksgruppen aus der Region des Nahen Ostens bei uns leben, teilweise mit heimischem Pass, wird dies schwierig sein. Jedenfalls sind die heimischen Standards betreffend das Demonstrationsrecht einzuhalten. Die EU und die Türkei werden sich auch in Zukunft aneinander reiben. Gleichzeitig sind sie aus verschiedenen Gründen aufeinander angewiesen.