Der nächste Deal

Was ist bloß mit Merkel los? Seit ein paar Tagen ist die „eiserne Kanzlerin“ wie verwandelt, findet der „Spiegel“. Sie geht auf Schmusekurs zu Frankreichs Präsident Hollande, schmeichelt Italiens Monti und findet sogar nette Worte für die armen Rentner in Griechenland. Doch in Wahrheit ist sie knallhart wie immer. Merkel plant einen neuen Deal – und braucht dafür etwas Luft.

Die deutsche Presse versteht ihr Idol nicht mehr. Wo ist die „eiserne Kanzlerin“ geblieben, fragt der „Spiegel“, und mokiert sich über die „schrecklich nette Frau Merkel“. Verwirrt sind auch die „Welt“ und das „Handelsblatt“. Nachdem sie wochenlang einen angeblich unvermeidlichen „Grexit“ herbeigeschrieben haben, verkünden sie nun den ultimativen Sinneswandel: Ein Austritt sei vom Tisch, Griechenland bleibe doch in der Eurozone.

Mag sein. Wahrscheinlicher ist, dass der „Grexit“ erstmal vertagt wurde, weil es dringendere Probleme gibt, z.B. in Karlsruhe und Madrid (siehe „Der Grexit muss warten“). Fest steht, dass sich Merkel treu geblieben ist: nichts überstürzen, alles auf die lange Bank schieben, in Trippelschritten eine Lösung suchen. Fest steht auch, dass sie in der Sache weiter knallhart ist, wie ihre demonstrative Unterstützung für den angeblich amtsmüden Buba-Chef Weidmann zeigt.

Warum dann die neue Nettigkeit, wozu die plötzliche Charmeoffensive? Nun ja, mit ihrer bisherigen Haltung hat sich Merkel überall in die Nesseln gesetzt, beim letzten EU-Gipfel Ende Juni wurde sie sogar an den Rand gedrängt. Da ist es sinnvoll, sich mal etwas menschlich zu zeigen. Die „nur über meine Leiche“-Haltung zu den Eurobonds lässt sich schließlich nicht jden Tag wiederholen – in Wahrheit war sie der bisherige Tiefpunkt ihrer europapolitischen Karriere.

Vor allem aber stehen neue harte Entscheidungen an. Anleihenkäufe, Bankenunion, Griechenland – in all diesen Fragen, die den Herbst beherrschen, ist Deutschland auf Konfrontationskurs zum Rest der EU. Gleichzeitig bereitet Merkel schon wieder neue „Reform“pläne vor, die in einen weiteren EU-Vertrag münden sollen. Bisher ist die Kanzlerin auch damit weitgehend isoliert. Schließlich ist es gerade neun Monate her, dass sie den letzten Vertrag ausgeheckt hat (siehe „Auslaufmodell Fiskalpakt“).

In dieser verzwickten Lage bietet sich ein neuer Deal an: Merkel kommt dem Rest Europas ein Stück entgegen, bekommt dafür aber „ihren“ neuen Vertrag. Zum Beispiel könnte sie einwilligen, Griechenland ein Jahr mehr Zeit zu geben (so dass die „Grexit“-Entscheidung praktischerweise erst nach der Bundestagswahl 2013 fällig würde), und dafür „mehr Europa“ nach deutschem Modell einfordern. Oder sie könnte neuen Hilfen für Spanien zustimmen, dafür aber den Rauswurf Griechenlands verlangen – als Bauernopfer, sozusagen.

Ich glaube nicht, dass Merkel sich schon festgelegt hat. Doch mir scheint ziemlich klar, dass sie sich derzeit so konziliant zeigt, um später im Herbst wieder knallhart auftreten zu können. Wen es dann trifft, ist noch völlig offen. Und ob der Euro Merkels nächsten Deal überlebt, bleibt ebenfalls abzuwarten…

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