Der Mythos von der Enteignung
Die Niedrigst-Zins-Politik der EZB zeigt Wirkung – allerdings anders, als geplant. Statt das Wachstum anzukurbeln und die Deflations-Gefahr zu bannen, verdirbt sie den Deutschen die Lust aufs Sparen. Die EZB betreibe eine Enteignung der Sparer, schimpfen Ökonomen. Doch das ist ein Mythos.
Von Mark Schieritz
Es gibt kaum ein wirtschaftspolitisches Thema, dass die mediale Debatte so prägt wie die angebliche Enteignung der Sparer. Das Argument: Die EZB flutet die Märkte mit Geld und die Deutschen sind wieder einmal die Dummen, weil sie sich mit mickrigen Zinsen zufrieden geben müssen.
Die Bundesbank hat nun diese hervorragende Grafik online gestellt, nachdem dieSZ am Montag ebenfalls über den Sacherhalt berichtet hatte. Wir sehen: Es ist überhaupt nicht ungewöhnlich, dass das Geld von der Bank von der Inflation aufgezehrt wird. Es ist sogar der Normalfall.
Oder wie die Bundesbank schreibt:
“In den vergangenen Jahrzehnten waren negative Realzinsen sogar eher die Regel als die Ausnahme. Bereits vor der Finanzkrise, nämlich in den 1970er Jahren, Anfang der 1990erJahre sowie in den 2000er Jahren, erhielten Bankkunden insbesondere auf ihre Spareinlagen keine inflationsausgleichende Verzinsung. Diese Phasen realer negativer Verzinsung überwogen historisch sogar …”
Damals ist es aber nicht aufgefallen, denn die Zinsen waren erheblich höher. Dass zugleich auch die Inflation höher war, ist aber niemandem aufgefallen. Genau wie heute niemandem aufzufallen scheint, dass die Zinsen zwar niedrig sind, die Inflation aber auch.
Gewiss: Es ist tatsächlich ein Abwärtstrend bei der Realverzinsung zu beobachten, wenn man sich auf der Zinskurve weiter nach außen bewegt, also längerfristige Anlagen berücksichtigt. Das zeigt sich in dieser Kurve bei den Terminlagen, aber auch bei Staatsanleihen gibt es ihn. Das erklärt beispielsweise die Probleme der Versicherer.
Allerdings ist für die Verzinsung solcher Anlagen nicht nur die Geldpolitik der Zentralbank verantwortlich, sondern auch Faktoren wie Angebot und Nachfrage nach Kapital und die Risikoneigung der Investoren. Aber der pauschale Vorwurf, die EZB enteigne die Sparer ist schlicht falsch.
Vielleicht sollte sich der Sparkassenpräsident das einmal von einem seiner Leute erklären lassen.
Dies ist ein Repost vom Zeit-Blog “Herdentrieb”, danke, Mark! Das Original steht hier
winston
28. Juli 2014 @ 12:00
So what do the europessimists – the people who believe that the whole experiment will come to grief – say now? Well, they have a new argument. Pretty clearly, Europe is not about to tear itself apart because it cannot agree about monetary policy. In fact, everyone but the central bankers now *does* agree about monetary policy. The clear and present danger is, instead, that Europe will turn Japanese: that it will slip inexorably into deflation, that by the time the central bankers finally decide to loosen up it will be too late.
These Europeans, they are a subtle race. And this time they may have subtled themselves into a very tight corner.
Paul Krugman, 1998
Ein Europäer
27. Juli 2014 @ 03:02
Meanwhile.. inzwischen die Großsparer bunkern weiterhin Geld während der M3 schrumpft. Der Beweis : http://sdw.ecb.europa.eu/reports.do?node=1000003479
Die EZB muss endlich etwas dagegen tun !! Genug mit Floskeln ala ”whatever it takes”.
Peter Nemschak
27. Juli 2014 @ 16:40
Was soll sie dagegen tun?
Ein Europäer
28. Juli 2014 @ 18:37
Hallo Peter,
da der Index der Geldmenge (M3) in der Eurozone immer noch zu niedrig ist ,s.a. die Verlinkung oben, das bedeutet das die Geldpolitik der EZB immer noch restriktiv ist, nicht expansiv. Die EZB soll endlich eine expansive Geldpolitik betreiben weil wir stehen vor eine Deflation. Auch andere Indikatoren bestätigen das wie z.B. der Inflationsindex, der Konsumkredit Index, der Lohnindex usw.
VG
Peter Nemschak
29. Juli 2014 @ 09:12
Mit der Geldpolitik allein wird es nicht getan sein. Ob staatliche Nachfragepolitik durch erhöhte Verschuldung nachhaltig Wachstum erzeugt, bezweifeln viele Ökonomen. Ich glaube, man muss an verschiedenen Schrauben gleichzeitig drehen, um den derzeit eindeutig vorhandenen Zukunftspessimismus los zu werden.
Tim
25. Juli 2014 @ 10:15
Relevant sind in diesem Punkt ja vor allem die Termineinlagen (als bevorzugtes und auch in der Werbung sehr präsentes Investment der Kleinsparer), und bei denen kann die Bundesbank-Grafik die Sorgen der Leute nun wirklich nicht entkräften.
Peter Nemschak
26. Juli 2014 @ 07:10
Statt Termineinlagen zu halten hat auch der Kleinsparer die Möglichkeit, einen Teil seiner Ersparnisse in Aktienfonds mit einer weltweiten breiten Streuung investieren. Es ist ja Sinn und Zweck einer Niedrigzinspolitik das risikolose Horten von Geld unattraktiv und Investitionen relativ attraktiv zu machen. Bestehende Schuldner, auch Häuselbauer, werden die niedrigen Zinsen zu schätzen wissen. Auch die Mittelklasse ist oft gleichzeitig Schuldner und Sparer.
Johannes
25. Juli 2014 @ 04:57
Und? Am Ende stelle ich dennoch fest, das billige Geld der Schrott-EZB zerstört unser Europa. Billiges Geld damit die Reichen weiter prächtig zocken können und wir Bürger die Rechnung dafür bezahlen.
Die EU: Beim NSA Skandal beschissen, beim Ukrainekrieg beschissen,bei der Eurorettung beschissen, und da soll ich den Euro noch immer unterstützen?
Ich habe persöhnlich finanziell nicht vom Euro profitiert, und dennoch sollich Pleitestaaten und Zombiebanken durch die EZB retten, ne liebe Elite, so nicht!
Der Euro muss weg, warum? Damit die Elite endlich auch leiden muss, so wie ich als kleiner Bürger, der immer nur von den groooooßen Eurogewinnen hört aber sie nie selber gesehen hat.
Der Euro ist der größte Betrug in der Nachkriegsgeschichte Europas und ist der Beweis, das Banken und Reiche wichtiger sind als der Europäische Frieden.
Ne, ich mach dieses sch… Theater der Elite nicht mehr mit, schafft den Euro ab, mit all den negativen Folgen.
Peter Nemschak
25. Juli 2014 @ 09:12
Lassen Sie doch die Kirche im Dorf. Der Mehrheit der Deutschen geht es wirtschaftlich sehr gut. Das beweisen die gestiegenen Konsumausgaben deutlich. Ob der Euro für die ehemaligen Weichwährungsländer ein Segen war, steht auf einem anderen Blatt.
Tim
25. Juli 2014 @ 10:16
Die Mittelklasse in Deutschland sieht das allerdings anders. Klagen über stagnierende Löhne gibt es seit wenigstens 15 Jahren. Die Ursache dafür ist allerdings natürlich nicht Währungspolitik.
Christian
8. August 2014 @ 20:03
Unsinn…………die meisten Einwohner in Deutschland haben nicht genug Geld…………!Gestiegene Konsumausgaben bitte mal genauer betrachten………..
Ein Europäer
24. Juli 2014 @ 13:12
@ebo, danke fürs sharing ! Schöne Grüße aus Hamburg 🙂
Peter Nemschak
24. Juli 2014 @ 09:16
Danke, erstklassiger Beitrag. Für den Sparkassenpräsidenten ist die Welt von gestern noch in Ordnung. Als ich vor 42 Jahren in die Bank eintrat, gab es in Österreich für Sparkassendirektoren damals noch bestehende Anstellungsverträge in Goldmark – 27 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs: die heile Welt der Funktionäre. Offenbar haben deutsche Klein- und Mittelunternehmen trotz Basel III kein Problem, an Kredite zu gelangen. Sonst hätte der Herr Sparkassenpräsident Grund gehabt, die EZB dafür zu tadeln, dass die niedrigen Zinsen in der Realwirtschaft nicht ankommen. Aber solche Gedankengänge scheinen dem betreffenden Herren ohnedies spanisch vorzukommen.