Der IWF denkt um (Merkel nicht)

 

© Face Art Eberhard Bonse Düsseldorf

Während Kanzlerin Merkel den Griechen ein zynisches “Weiter so” zuruft, denkt der IWF um. Die Experten aus Washington stellen den bisherigen Sparkurs in Frage, sie fordern einen neuen Schuldenschnitt – und sie machen sich sogar um die Kapitalflucht aus den Krisenländern Sorgen. Bisher waren all diese Fragen in Berlin und Brüssel tabu. In der Troika, in der der IWF eine Schlüsselrolle spielt, droht massiver Streit.

Im Kern geht es um zwei Fragen: Soll der Sparkurs weitergeführt oder sogar noch verschärft werden? Und: Braucht Griechenland einen neuen Schuldenschnitt, um von seinem Schuldenberg herunterzukommen? Beide Fragen wurden ausgerechnet vom IWF, dem Gralshüter der neoliberalen Doktrin, aufgeworfen. Und in beiden Punkten schaltet die angeblich so wohlwollende und mitfühlende Merkel auf stur – womit sie eine Einigung (und eine Krisenlösung) erschwert.

Der IWF hatte am Montag in seinem World Economic Outlook darauf hingewiesen, dass man die Auswirkungen des Sparkurses auf das Wirtschaftswachstum unterschätzt habe. Bisher waren die IWF-Ökonomen davon ausgegangen, dass eine Budgetkürzung um ein Prozent der Wirtschaftsleistung das Wachstum in Griechenland um 0,5 Prozent verringern würde. Tatsächlich seien es aber 0,9 bis 1,7 Prozent. Die Rezession wird durch die Sparpolitik also derart verstärkt, dass der Spareffekt zunichte gemacht wird.

IWF-Chefin Lagarde fordert zwar noch keine Umkehr, doch sie geht auf Distanz zur bisherigen Austeritätspolitik. Zudem fordert der IWF einen neuen, zweiten Schuldenschnitt, der diesmal die staatlichen Gläubiger – also auch Deutschland – treffen würde. Denn ohne eine neue Umschuldung lässt sich der Schuldenberg nie und nimmer von derzeit rund 180 Prozent der Wirtschaftsleistung auf die angestrebten 120 Prozent drücken. Nach jüngsten IWF-Berechnungen wird er in fünf Jahren immer noch über 150 Prozent liegen, so die FTD.

Noch brisanter ist der dritte Punkt, den die IWF-Experten ansprechen: die massive Kapitalflucht aus den Euro-Krisenländern. Allein aus Spanien haben private Investoren binnen eines Jahres fast 300 Mrd. Euro abgezogen, heißt es wiederum in der FTD. Ein Großteil des Kapitals wird direkt oder auf dem Umweg über die Schweiz in Deutschland angelegt, das so von der Krise profitiert.

Europas Finanzmärkte seien “extrem fragmentiert”, die “Fliehkräfte” würden immer stärker, warnen die IWF-Ökonomen. Nur durch den schnellen Aufbau von Fiskal- und Bankenunion lasse sich dieser gefährliche Trend, der auf eine Spaltung der Eurozone hinausläuft, noch stoppen.

Doch ausgerecnet hier zeichnet sich keine Bewegung ab. Zwar hat Frankreich nun auch zähneknirschend den Fiskalpakt ratifiziert, so dass er wie geplant 2013 in Kraft treten dürfte.  Doch bei der Bankenunion steht Berlin voll auf der Bremse. Und wenn es um den freien Kapitalverkehr geht, stellen sich auch die Hüter des Binnenmarkts in Brüssel taub…