In der Hand von Hasardeuren
Mit ihren jüngsten Beschlüssen hat sich die EU doppelt abhängig gemacht: Vom britischen Premier Cameron und vom türkischen Sultan Erdogan. Beide sind unberechenbare Hasardeure, sie können alles scheitern lassen.
[dropcap]M[/dropcap]an habe eine existentielle Krise erfolgreich abgewendet. Das behaupten Politiker und Medien nach dem EU-Gipfel, der vom Flüchtlingsdrama und der Brexit-Drohung dominiert wurde.
Vor allem der “faire Deal” mit dem britischen Premier Cameron wird gepriesen – denn jetzt sei der Brexit unwahrscheinlicher geworden. Wirklich? Die ersten Reaktionen sprechen eine andere Sprache.
Die britischen Medien, vor allem die Murdoch-Gruppe, feuern aus allen Rohren auf Brüssel. Und Cameron will nicht einmal sein eigener Justizminister folgen – er wirbt offen für den Bruch mit der EU.
„Jetzt muss Cameron liefern”, fasst der SPD-Europaabgeordnete Leinen zusammen. Doch kann er das, will er das? Bisher hat er sich als schwacher Politiker erwiesen, der mit dem Schicksal EUropas spielt.
Als starker Mann präsentiert sich dagegen der türkische Präsident Erdogan. Ihm hat Kanzlerin Merkel nun die Lösung der deutsch-europäischen Flüchtlingskrise in die Hände gelegt, ausgerechnet.
Alle 28 EU-Staaten mussten beim EU-Gipfel in Brüssel unterschreiben, dass sie eine “europäische-türkische Lösung” anstreben. Dabei hat Erdogan diese bisher nach Kräften hintertrieben.
Pünktlich zum Gipfel ließ er sogar noch mehr Schlepper als sonst in Richtung Griechenland ablegen; der Flüchtlingsstrom zeigte einen ungewöhnlichen Ausschlag nach oben.
Statt der EU zu helfen, möchte Erdogan sie viel lieber in den Krieg in Syrien hineinziehen. Merkel und die EU haben sich abhängig gemacht; statt der Lösung drohen noch schlimmere Probleme…
Siehe auch “Der Brexit als Chance” und “Jetzt wird’s brenzlig”
popper
23. Februar 2016 @ 09:26
Herr @Nemschak arbeitet in seinem letzten Post mit einem klassichen Zirkelschluss. Damit kann man alles und nichts beweisen. Andererseits zeigt die Argumentation, dass Angriffe auf die intellektuelle Verfasstheit einer bestimmten Person immer dann das Mittel der Wahl ist, wenn in der Sache nichts sinnstiftendes vorgetragen wurde. Aber die beabsichtigte Konnotation aufrecht erhalten bleiben soll.
GS
22. Februar 2016 @ 12:13
Londons Bürgermeister ist Cameron auch gleich in die Parade gefahren und will sich nun an der Kampagne für einen Austritt Großbritanniens beteiligen.Wird sicher spannend werden in den nächsten vier Monaten.
Peter Nemschak
22. Februar 2016 @ 08:56
Cameron mit seiner schnöselhaften englischen Oberklasseaffektiertheit ist kein Hasardeur sondern schlicht schwach und beschränkt, mit mäßiger Intelligenz begabt. Thatcher hätte ihn bequem in ihrer Handtasche untergebracht. Erdogan ist ein Putin ähnlicher Autokrat ohne allerdings dieselben Ressourcen zu haben wie Putin. Er wäre gerne Großmacht. Es reicht aber nur für eine regionale Mittelmacht. Politisch hat er sich, was Syrien betrifft verrechnet. So wie er die in sich uneinigen Kurden behandelt, macht er sich zum gemeinsamen Feind für sie. Sie werden in Zukunft nicht locker lassen, einen gemeinsamen Kurdenstaat zu fordern. Fazit: beide gehören mangels Mehrwert für die internationale Gemeinschaft ausgetauscht.
Claus
22. Februar 2016 @ 12:13
Dass David Cameron „beschränkt“ sei, glaube ich nicht.
Wiki dazu: „Einer seiner Professoren bezeichnete ihn als einen seiner fähigsten Studenten und beschrieb seine politischen Ansichten als die eines gemäßigten und vernünftigen Konservativen. 1988 beendete Cameron sein Studium mit Auszeichnung in dem interdisziplinären Studiengang PPE (Philosophy, Politics and Economics).“
Was ihm aus meiner Sicht im Vergleich zur „Eisernen Lady“ Margaret Thatcher fehlt, ist ihre Schläue und ihr Durchsetzungswille. Möchte mir nicht vorstellen, wie sie den jüngsten „EU-Gipfel“ aufgemischt hätte, gäbe es sie noch. Vermutlich hätte selbst Nigel Farage da noch etwas mitnehmen können.
Peter Nemschak
22. Februar 2016 @ 16:50
Dann hat er den Beruf verfehlt. Offenbar war er nicht intelligent genug, dies zu verstehen.
OXIgen
22. Februar 2016 @ 12:46
Donnerwetter, Nemschak,
für diesen Satz: “Cameron mit seiner schnöselhaften englischen Oberklasseaffektiertheit ist kein Hasardeur sondern schlicht schwach und beschränkt, mit mäßiger Intelligenz begabt. Thatcher hätte ihn bequem in ihrer Handtasche untergebracht.” kriegen Sie tatsächlich mal ein dickes Lob von mir.
Claus
21. Februar 2016 @ 19:19
Frau Merkel’s europäisch-türkische Idee war ja Teil ihrer Regierungserklärung vom 17. Februar, so offiziell zu lesen: „Mit all ihrer Kraft werde sie sich für die europäische-türkische Lösung einsetzen. Es gehe bei dieser Lösung darum, “die Zahl der Flüchtlinge spürbar und nachhaltig zu reduzieren, um so auch weiterhin den Menschen helfen zu können, die unseres Schutzes wirklich bedürfen”“
Dass der EU-Gipfel dies nun aufs Papier brachte und von den 28 EU-Staats- und Regierungschefs gegenzeichnen ließ, ist schon bemerkenswert und kann eigentlich nur bedeuten, dass es 27 EU-Staaten, die ihre Grenzen schützen werden und praktisch niemand mehr aufnehmen wollen, inzwischen wurscht zu sein scheint, was sich Frau Merkel wünscht und wie viele Menschen Erdogan durchreisen lässt oder auch nicht, damit sie nach geschmeidigem Transit über den Balkan und durch Österreich letztendlich in Deutschland auflaufen.
War dies ein offiziell verlautbartes EU-Memorandum?
kaush
21. Februar 2016 @ 18:14
Das sind wohl nicht die einzigen Hasardeure:
“EU-Deal: Serbien beginnt mit Schließung der Grenze für Flüchtlinge”
…Die Schließung dürfte Teil des Deals von Serbien mit der EU sein: Beide Seiten haben einen Plan entwickelt, der die Schließung der EU-Außengrenzen für alle Flüchtlinge und Migranten vorsieht. Die Serben und Mazedonier wollen demnach künftig genaue Einzelfall-Prüfung durchführen. Die Serben sollen, so der Wunsch der EU, die Grenzen bis zum 1. März schließen. Das berichtet die Zeitung Danas aus Belgrad, ein seriöses Blatt, das der Regierung kritisch gegenübersteht. Die Informationen dürften aus Regierungskreisen geleakt worden sein, weil es in der Partei von Premier Aleksandar Vučić faktisch eine Spaltung gibt. Tatsächlich könnte sich die Schließung bis Ende März hinziehen – einerseits wegen der Wahlen in Serbien, andererseits möchte die EU vermeiden, dass der für den 6. März geplante Gipfel mit der Türkei von vornherein zu Farce wird…”
Wenn etwas in der Deutschen EU gewünscht wird, dann kommt der Wunsch wohl aus Berlin.
Da gibt es auch eine Hassadeurin.
Merkel spielt ebenfalls mit dem Schicksal EUropas.
Oder wie Volker Pispers mal gesagt hat: Wenn sie sich doch wenigstens ein bisschen für Politik interessieren würde…