Der Fehlgriff

Kaum ist G. Oettinger zum Haushaltskommissar aufgestiegen, muss er sich schon rechtfertigen. Dabei sind seine Chauvi-Sprüche nicht neu. Die eigentliche Frage ist, warum Oettinger überhaupt befördert wurde.


[dropcap]O[/dropcap]ettinger hatte in Hamburg über die baldige Einführung einer “Pflicht-Homoehe” schwadroniert. Außerdem hatte er von “Schlitzohren und Schlitzaugen” gesprochen – gemeint waren Chinesen.

“Das war eine etwas saloppe Äußerung, die in keinster Weise respektlos gegenüber China gemeint war”, sagte er nun der Online-Ausgabe der “Welt”. Doch die Kritik reißt nicht ab, im Gegenteil.

Vor allem Grüne und Sozialdemokraten stellen Oettingers Eignung in Frage. Der CDU-Mann aus Stuttgart, den Kanzlerin Merkel nach Brüssel geschickt hatte,  ist beschädigt, wieder einmal.

Denn seine “saloppen” Sprüche sind nicht neu. Schon als Energie-Kommissar fiel er unangenehm auf – etwa mit der Bemerkung, die EU solle ihre Fahnen wegen Griechenland auf Halbmast hängen.

Daher stellt sich die Frage, warum er jetzt auch noch zum Haushaltskommissar aufsteigt – einem der wichtigsten Posten in der Brüsseler Behörde. Denn um das EU-Buget ist ein heftiger Streit entbrannt.

So fordert Deutschland, mehr Geld für “Partnerländer” wie die Türkei zu geben, damit die Flüchtlinge zurückhalten. Gleichzeitig schrumpfen die Einnahmen wegen des britischen EU-Austritts.

Kommissionschef Juncker wäre besser beraten gewesen, einen untadligen Kommissar mit dem Budget zu betrauen. Außerdem hätte er sich mehr Zeit lassen können – genau wie beim Abgang des Briten Hill.

Warum die Eile, warum ausgerechnet Oettinger? Diese Frage wird Juncker nun quälen. Die “FT” hat schon einen Verdacht geäußert: Es gebe Streit um Junckers rechte Hand, Kabinettschef Selmayr.

Der Deutsche, ebenfalls CDU-Mitglied, regiere die EU-Behörde derart rücksichtslos, dass die bisherige Haushaltskommissarin Georgieva entnervt aufgegeben habe. Die Bulgarin hat das zwar dementiert.

Doch ihr Abgang hätte nicht auch noch mit der Fehlbesetzung Oettinger “gekrönt” werden müssen. Es sei denn, da wären noch andere Deutsche im Spiel, die Juncker unter Druck setzen.

Schulz? Schäuble? Nichts ist unmöglich, denn die EU-Kommission ist schon längst keine unabhängige Behörde mehr. Sie hängt auf Gedeih und Verderb von Berlin und dem deutschen Machtpoker ab…