Der Euro wird zum goldenen Käfig
Niemand kommt hier raus, bevor er nicht seine Rechnung bezahlt hat. Darauf läuft eine Antwort von EZB-Präsident Draghi an italienische Europa-Abgeordnete hinaus. Wird der Euro zur Falle – oder zum goldenen Käfig?
“Sollte ein Land das Euro-System verlassen, müsste dessen Nationalbank die Ansprüche oder Verbindlichkeiten mit der Europäischen Zentralbank vollständig ausgleichen”, schreibt Draghi.
Für die “Süddeutsche” ist das eine “Warnung an Europas Populisten”. So kann man das sehen, zumal gerade in Italien immer mehr Menschen den Euro verlassen wollen, sogar ein Referendum ist möglich.
Eine andere Lesart wäre, dass Draghi den Euro zu einem goldenen Käfig machen will, in dem alle nach den Anweisungen der EZB – also seinem Befehl – tanzen müssen.
Denn die Ungleichgewichte im Euro-internen Zahlungssystem (Target 2) sind ja vor allem der Politik der EZB geschuldet. Dazu ein aufschlußreiches Zitat von Reuters (Hervorhebungen von mir):
Weaker economies including Italy, Spain and Greece have accumulated huge liabilities towards Target 2 while Germany stands out as the biggest creditor with net claims of 754.1 billion euros. Target 2 imbalances have worsened in recent months, with Harvard economist Carmen Reinhart warning of capital flight from Italy. In the letter, Draghi reiterated that the imbalances were due to the ECB’s own bond buying-program, where many of the sellers are foreign investors with accounts in Germany, and ensuing portfolio rebalancing.
Italien und andere Südländer spüren offenbar die negativen Folgen des Anleihekaufprogramms der EZB. Und wieder einmal profitiert Deutschland, weil hier “ausländische Investoren” zugreifen…
Peter Nemschak
25. Januar 2017 @ 14:55
@S.B. und @Claus. Die Entwicklung des privaten Konsums spricht eine andere Sprache, was die Einkommensentwicklung betrifft. Die Wirtschaft hat mit Ponzi-System nichts zu tun. Schauen Sie einmal in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, um sich davon zu überzeugen.
S.B.
25. Januar 2017 @ 12:55
@Claus und ebo: Der Vergleich mit dem Ponzi-Schema stimmt. Ursache ist das ungedeckte Fiat-Geld.
@ebo: Das niemand der Erste und niemand der Letzte sein will, stimmt so nicht. GR wäre schon raus aus EU und Euro, wenn sie 2011 unter Papandreou das Referendum hätten machen dürfen. Dann wären sie die Ersten gewesen und es wäre nur noch darum gegangen, wer der Letzte ist. Aber die EU hat sie nicht abstimmen lassen. So kann man den Laden natürlich auch zusammenhalten. Alles sehr demokratisch eben…
Claus
25. Januar 2017 @ 11:49
Jetzt bin ich mal wieder platt: Lausche ich der Politik, ist Deutschland Hauptprofiteur der EU, weil wir dadurch so wunderbar exportieren können und dürfen. Und nun werden wir mal wieder daran erinnert, dass Exporte für insgesamt 754.1 Milliarden Euro “auf Pump” geliefert wurden, und diese (vermutlich uneinbringlichen) Forderungen früher oder später dem deutschen Steuerzahler um den Hals gehängt werden könnten?
Wir haben Top-Leute in Berlin und Brüssel!
ebo
25. Januar 2017 @ 11:57
@Claus Das ist doch kein Widerspruch. Die deutsche Wirtschaft profitiert, solange der Rubel rollt und der Laden zusammenhält. Deshalb darf ja auch keiner raus, deshalb soll sich nichts ändern!
Peter Nemschak
25. Januar 2017 @ 12:07
Nicht nur die Wirtschaft auch der deutsche Arbeitsmarkt profitiert von der guten Konjunktur.
Claus
25. Januar 2017 @ 12:18
@ebo: Wie beim Ponzi-System: Das funktioniert auch, so lange alle mitmachen und niemand hinauswill. Dann trifft es die letzten in der Kette. Und wer sind die?
ebo
25. Januar 2017 @ 12:20
Genau. Und niemand will der Erste sein, niemand der Letzte. Deshalb hält der Laden auch noch zusammen, auch wenn @Nemschak ständig den Rauswurf von Griechenland fordert…
S.B.
25. Januar 2017 @ 12:45
@Peter Nemschak: “Nicht nur die Wirtschaft auch der deutsche Arbeitsmarkt profitiert von der guten Konjunktur.”
Ja, vor allem im Niedriglohnsektor, wo dann am besten noch mit Steuermitteln der zum Leben zu geringe Lohn aufgestockt wird. Super Entwicklung!
Peter Nemschak
25. Januar 2017 @ 10:10
https://nzz.at/s/pcZAvKT5x2 “Plädoyer für eine verkleinerte Eurozone”, Michael Rasch, in der NZZ vom 25.1.2017
Marc
24. Januar 2017 @ 23:33
Das wäre ein gigantischer Betrug, denn auf den Target2 Salden befindet sich kein Geld, sondern nur Zentralbankgeld. Zu Geld wird es erst durch die Verknüpfung mit einem Kredit durch eine private Geschäftsbank. Das dies im Fall der Target2 Salden nicht statt findet, erkennt man daran, dass die Summe der Target2 Salden Null ist. Die positiven Salden sind nicht mit Krediten der Geschäftsbanken durch einen Aktiv/Passiv Tausch besichert, wie es sein sollte, sondern sind eine Gegenbuchung des negativen Zentralbankgeldes anderer Zentralbanken. Negatives Zentralbankgeld ist bereits an sich eine Anomaie.
Ich will nur kurz skizzieren, wie diese Anomalie entsteht. Wenn eine Überweisung in ein anderes Euro-Land statt findet, müssen die nationalen Zentralbanken untereinander Zentralbankgeld austauschen. Findet in einem Land eine Kapitalflucht im Euro-Raum statt, kann es dazu führen, dass das Zentralbankgeldkonto einer nationalen Zentralbank erschöpft ist. Wenn dies der Fall ist, dann passiert folgendes:
Ein Euro “flieht” in ein anderes Euro Land. Die Zentralbank des Fluchtlandes muss einen Zentralbank-Euro an die Empfänger-Zentralbank schicken. Sie kann das allerdings, da sie selbst keinen Zentralbank Euro mehr hat, nur noch über den Target2 Mechanismus machen. Sie Schöpft einen negativen Zentralbankgeld Euro und überweist den positiven Euro an die Zentranbank des Empfängerlandes.
Das Zentralbankgeld der Target2 Salden entsteht nicht durch Kreditvergabe, sondern durch Kapitalflucht.
Um dieses Dilemma aufzulösen, müssten eigentlich die Euros des Austrittslandes, die sich im “Ausland” befinden, korrekterweise ebenfalls in die neue Währung getauscht werden. In diesem Fall würden die Target2 Salden sich auflösen.
Peter Nemschak
25. Januar 2017 @ 09:59
…würde, was Sie beschreiben, tatsächlich passieren, was wären die Folgen für das Austrittsland und für die verbleibende Währungszone?
Marc
25. Januar 2017 @ 12:31
Es kommt auf das Austritt-Szenario an. Das Problem ist, es gibt Euros, die von einer Autritts-Zentralbank geschöpft wurden und ins Ausland geflüchtet sind und es gibt Euros, die von anderen Euro Zentralbanken in das Austrittsland transferiert wurden. Wie wird dieses Problem gelöst? Ist eine Herkunftszuordnung überhaupt noch möglich? Wenn ja, wäre ein ordentlicher Austritt mit Nivellierung der Target2 Salden möglich. Ich habe jedoch den Verdacht, dass diese Problematik nicht verstanden wird – so verstehe ich Draghis Aussage.
S.B.
24. Januar 2017 @ 20:42
Nicht nur Italien und die Südländer spüren die negativen Folgen der EZB-Politik. Auch alle Sparer, die im Zuge negativer Realzinsen enteignet werden.
Peter Nemschak
24. Januar 2017 @ 21:18
Deshalb muss es Austrittsmöglichkeit geben für Länder, die nicht können (Griechenland) und solche, die nicht wollen (Italien). Wenn Italien seine Wirtschaftspolitik im Stil der letzten 70 Jahre weitermachen will, braucht es eine eigene Währung. Ein europäischer Bundesstaat wäre die beste, ein, wie ebo es beklagt, deutsches Europa die zweitbeste Lösung. Warum? Weil wir für die politischen Entscheidungen der Griechen, Italiener und anderer Mitgliedsstaaten, auf deren Budgetpolitik wir keinen Einfluss haben, finanziell nicht pauschal aufkommen wollen. Diese Art von sogenannter Solidarität ist mehrheitlich unerwünscht. Gemeinsam beschlossene Projekte, wie z.B. Grundlagenforschung bei enrgiesparenden Technolgie könnte man durch Eurobonds mit Solidarhaftung aller Mitglieder finanzieren. Dort gäbe es nachvollziehbare Transparenz der politischen Verantwortung. Ohne die geeigneten institutionellen Strukturen gibt es keine politische Verantwortung derer, die Steuergeld ausgeben. Ist das so schwer zu begreifen?
Susanne
24. Januar 2017 @ 21:53
“Deshalb muss es Austrittsmöglichkeit geben für Länder, die nicht können (Griechenland) und solche, die nicht wollen (Italien).”
Wie will man das durchsetzen?
Peter Eschke
25. Januar 2017 @ 11:00
Nun, man sollte folgende Fakten auch bedenken: Die von D geforderte Austeritätspolitik mit der Folge, dass die Einkommen und Renten in Griechenland um 30 % gekürzt wurden muss die Binnennachfrage dieses Landes entsprechend reduzieren. Dies kann Griechenland nicht im Außenhandel kompensieren. Dazu kommt, dass Deutschland mit seinem Außenhandelsüberschuss von nun um die 9 % des BIP, das Ausland mit 250 Milliarde € jährlich zur Verschuldung bringt. Deutsche Waren, die im Ausland verbraucht werden, können dort nicht mehr für die Binnennachfrage hergestellt werden. Wir exportieren also Arbeitslosigkeit in der Größenordnung von etwa 3 Millionen in die Länder unserer Handelspartner. Das ist in meinen Augen völlig unsozial und widerspricht den vertraglichen Vereinbarungen für die EU. Im. Übrigen widerspricht es auch dem deutschen Stabilitäts- und Wachstumsgesetz. Meine Einschätzung: Wir in D fahren die EU an die Wand…. Aber das will in D keiner hören. Unsere Bundesregierung scheint mir absolut wirtschaftshörig zu sein. Ist ja auch logisch: Wenn man Parteispenden abgreift muss man auch liefern, also weiter für Lohndumping sorgen, dass der Außenhandel floriert.
Susanne
24. Januar 2017 @ 19:30
Die Klagen der Professoren sind immer abgewiesen worden…der jetzige Zustand des Euro ist eine Katastrophe.
kaush
24. Januar 2017 @ 18:09
Taget 2 ist rein virtuelles Geld, Zahlen in einem Computer.
So wie der Euro nur bedrucktes Papier ist. Es gibt keine Deckung, nichts. Nur bedrucktes Papier mit Zahlen drauf.
Eine reine Glaubensfrage.
GS
24. Januar 2017 @ 18:07
Als würden die Italiener >350 Mrd. Euro zurückzahlen, wenn sie aus dem Euro aussteigen. Und dann noch mit einer abwertenden Währung. 😀