Das sollen gute Nachrichten sein?
Im neuen Jahr ist die EU-Kommission sehr bescheiden geworden. Sie freut sich, dass es die EU noch gibt und verkauft als Erfolg, was Europa in tiefe Konflikte gestürzt hat.
Hier ein Neujahrs-Tweet von Kommissionssprecher M. Schinas:
Great start of a European year. #BankingUnion takes shape, commitment to #Ukraine honoured.
— Margaritis Schinas (@MargSchinas) January 1, 2016
Die Bankenunion nimmt keineswegs Gestalt an, denn Deutschland hat beim letzten EU-Gipfel die entscheidende letzte Stufe – die gemeinsame Einlagensicherung -blockiert.
Und das Handelsabkommen mit der Ukraine, das am 1.1. in Kraft getreten ist, hat zu einer neuen Eskalation der Beziehungen zu Russland geführt.
Es war genau dieses Abkommen, das zum Umsturz auf dem Maidan, der russischen Annexion der Krim und zum Sanktions-Krieg mit dem Westen geführt hat. Schönes neues Jahr…
Ukraine, Banken
Veröffentlicht mit WordPress für Android
GS
2. Januar 2016 @ 20:43
Die Frage ist ja, wer dann überhaupt noch zu wem transferieren soll, wenn auch schon die Finnen und Niederländer den Ausgang suchen. Ich lehne nach wie vor jede Form von Transfers ab. Es ist jetzt schon schlimm genug. Aber ja, auf der Basis wird der Euro nicht funktionieren. Das wissen wir jetzt aber auch schon sehr lange…
Peter Nemschak
3. Januar 2016 @ 10:07
Transfer erfordert, so wie jede Art von Besteuerung in einem demokratischen System, die Möglichkeit, politisch in Form eines effektiven Wahlrechts Einfluss nehmen zu können. Effektiv heißt die Möglichkeit, eine parlamentarische Mehrheit zu Stande zu bringen, die eine Regierung stützt, welche analog zu nationalen Regierungen den Gesamtstaat regieren kann, d.h. auch innerstaatliche Transferentscheidungen, abhängig von ihrer politischen Ausrichtung, beschließen und durchsetzen kann. Dies würde echte europäische, direkt von den Bürgern gewählte Parteien und die Aufgabe der nationalen Souveränität erfordern, nicht notwendigerweise aber die relative Souveränität auf regionaler Ebene. Griechenland wäre in dieser Konstruktion ein europäisches Bundesland unter anderen, von Schweden und Estland bis Portugal oder Griechenland. So weit sind wir noch lange nicht. Wenn auch die Menschen grundsätzlich gleich sind, sind doch die Gesellschaften (Kontext), in denen sie leben, sehr unterschiedlich in ihrer historischen Praxis und ihren Gewohnheiten. Der Kontext wirkt auf die Menschen zurück und erzeugt bei vielen ein Gefühl nationaler Zugehörigkeit, das derzeit noch stärker als das Gefühl europäischer Zugehörigkeit ist. Trotzdem will die Mehrheit nicht auf europäische Annehmlichkeiten verzichten, und sei es auf die Möglichkeit, täglich von einem Land ins andere zum Arbeitsplatz zu pendeln – eine Selbstverständlichkeit auf die niemand gerne verzichten würde. Offenbar getraut sich kein europäischer Politiker, den föderalen europäischen Bundesstaat in den Blick zu nehmen, was seltsam anmutet, da so viele Bürger mit ihren nationalen Regierungen, aber auch ihren Alternativen auf staatlicher Ebene, unzufrieden sind.
Claus
2. Januar 2016 @ 20:19
@ebo: Aus Sicht namhafter Staatsrechtler handelte es sich bei der Krim nicht um eine Annexion durch Russland, sondern um eine Sezession: Ein demokratisch durchgeführtes Referendum hierfür fand statt, die Hilfestellung Russlands war verhältnismäßig und verstieß nicht gegen die Regularien des Völkerrechtes, die Krim beantragte den Beitritt zur Russischen Föderation, und diese stimmte zu. Nicht mehr – nicht weniger, was dann auch das Sanktions-Theater in objektiver Betrachtung komplett ad absurdum führt.
So hat auch der Internationale Gerichtshof in Den Haag (IGH) im Falle der Sezession des Kosovo von Serbien 2010 in einem Rechtsgutachten festgestellt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Vergleich zur territorialen Unversehrtheit eines Staates (Ukraine, Serbien) als höherwertiges Rechtsgut anzusehen ist. Im Falle des Kosovo gab es übrigens – Überraschung! – keine „westliche“ Diskussion hinsichtlich der verletzten Integrität Serbiens.
Die Position einer Krim-Sezession wird übrigens auch sehr vehement von Ihrer Kollegin Gabriele Krone-Schmalz vertreten. Allerdings, seitdem sie dies in öffentlich-rechtlichen Talkshows Entsandten der EU unmissverständlich erklärte, sieht man sie im TV nicht mehr. Zufall?
Peter Nemschak
2. Januar 2016 @ 18:02
Die gemeinsam Einlagensicherung ist Zukunftsmusik. Derzeit würde sie potentiell auf eine Transferunion von den wirtschaftlich starken zu den wirtschaftlich schwachen Mitgliedsstaaten hinauslaufen. Hier zeigen sich wieder einmal die Grenzen eines Staatenbundes gegenüber einem Bundesstaat: eine gemeinsame Einlagensicherung ist erst realistisch, wenn alle Mitgliedsstaaten national vergleichbar starke starke Sicherungssysteme aufgebaut haben. Nachdem die Staaten nach wie vor auf ihre nationale Souveränität pochen, wenn es ihnen opportun scheint – die Flüchtlingskrise hat es bestätigt -, ist auch eine gemeinsame Einlagensicherung ohne wenn und aber derzeit unrealistisch. Eine Transferunion setzt einen europäischen Bundesstaat voraus und steht im Widerspruch zum derzeitigen Souveränitätsverständnis der Mitgliedsstaaten.
ebo
2. Januar 2016 @ 18:41
Na gut, dann wird der Euro wohl scheitern. Ohne Transferunion hat noch keine Währungsunion überlebt, selbst Finnen und Niederländer suchen schon den Notausgang…
Nemschak Peter
2. Januar 2016 @ 19:47
Das Scheitern ist eine Möglichkeit, Währungsdisziplin die andere. Ob sie allerdings den betroffenen Nationalstaaten ausreichend viel wert ist, bleibt abzuwarten. Eine Dauersubvention des Südens ist für den Rest der auf ihre Souveränität pochenden EU-Mitglieder wenig attraktiv. Ob eine eigene Währung strukturelle Schwächen beseitigen kann, ist allerdings mehr als zweifelhaft. Was den geforderten „Marshall-Plan“ für Griechenland betrifft, war nicht auch Griechenland nach dem Zweiten Weltkrieg Empfänger von Mitteln aus dem Marshall-Plan? Was hat das Land damals daraus gemacht?