Das Phantom der Euroretter
Die Euroretter wollen sich mal wieder um die Wettbewerbsfähigkeit kümmern. Im Juni sollen dazu neue „Reformverträge“ eingeführt werden, beschloss der EU-Gipfel in Brüssel. Zwar blieb offen, ob diese Verträge für alle Euroländer Pflicht werden, wie es Kanzlerin Merkel wünscht. Doch klar ist, dass die neoliberale Agenda fortgesetzt wird – dabei ist sie selbst bei Ökonomen umstritten.
Ich habe nie verstanden, wie man die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern messen kann; die meisten Ökonomen halten dies auch für Unsinn. Wie irreführend das W-Wort ist, zeigt ein Blick auf das Ranking des Weltwirtschaftsforums in Davos. In diesem Jahr steht Holland wieder ganz oben auf der Liste. Dabei steckt das Land tief in der (Immobilien-)Krise; die Wirtschaft schrumpft sogar schneller als in Italien!
Ähnliches gilt für Großbritannien, das ebenfalls einen Spitzenplatz hält. Oder für Finnland, das derzeit massiv Marktanteile verliert (Stichwort Nokia-Krise). In Wahrheit gibt es gar keine verlässlichen Indikatoren für Wettbewerbsfähigkeit. Man müsse erst einmal entsprechende Kriterien entwickeln, hieß es beim EU-Gipfel. Ein „Scoreboard“, das die EU-Kommission nutzt, sei nicht praktikabel.
Unsere Euroretter lassen sich davon jedoch nicht beirren, im Gegenteil. Währungskommissar Rehn und Kanzlerin Merkel konzentrieren sich lieber auf die angeblich gute Nachricht: Dank der von Berlin und Brüssel verordneten Reformen hätten Spanien, Portugal und Griechenland an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen! Merkel nutzt diesen „Erfolg“ sogar, um das W-Wort zur neuen Priorität zu erklären – und noch mehr Reformen zu fordern.
Fragwürdige Erfolge
Hier wird es vollends schizophren. Denn die angeblichen Fortschritte werden an sinkenden Lohnstückkosten und schrumpfenden Leistungsbilanzdefiziten gemessen. Beide sind aber logische Folgen des Sparkurses: Löhne werden gedrückt, Importe schrumpfen. Ein Erfolg wäre dies nur, wenn zugleich die Exporte steigen und neue Jobs geschaffen würden. Und wenn die Krisenländer genau wie Deutschland Exportnationen wären.
Nichts davon ist der Fall. Die griechische Wirtschaft hängt vor allem vom Tourismus ab, Portugal hat seine Textilwirtschaft verloren, Spanien knabbert noch an der geplatzten Immobilienblase. Die angeblich steigende Wettbewerbsfähigkeit hilft diesen Ländern erst einmal gar nichts. Im Gegenteil: wenn die Löhne weiter sinken, wird niemand mehr all die schönen Exportgüter kaufen können, auch nicht die aus Deutschland.
Was als Erfolg verkauft wird, ist also in Wahrheit ein Rezept für die Verlängerung der Krise. Und die wunderbaren Erfolgsmeldungen sind nicht viel mehr als Ablenkungsmanöver unserer ratlosen Retter. Merkel & Co. laufen einem Phantom hinter.
Denn in den meisten Krisenländern war nicht etwa die Wettbewerbsfähigkeit das Problem – im Gegenteil: Irland und Spanien standen vor der Krise sogar als Gewinner da. Griechenland scheiterte an Vetternwirtschaft und Korruption, nur in Portugal gingen tatsächlich Weltmarktanteile verloren – vor allem in Folge der EU-Osterweiterung.
Problem Deutschland
Das eigentliche Problem ist heute das wachsende wirtschaftliche Ungleichgewicht Deutschlands – und seine zunehmende Ausrichtung auf außereuropäische Märkte. Wenn die deutschen Unternehmen wieder mehr in Europa investieren und die Bürger endlich wieder mehr verdienen würden, wäre der Eurozone mehr geholfen als mit neoliberalem Sozialabbau. Aber das ist natürlich undenkbar…
…denn wie sagte noch Wirtschaftsminister Rösler: sinkende Reallöhne sind „Ausdruck struktureller Verbesserungen“ am Arbeitsmarkt. Also, liebe Euroländer, nehmt Euch an Deutschland ein Vorbild, und drückt die Löhne!
Dies ist die gekürzte und aktualisierte Fassung einer Kolumne, die ich in der taz veröffentlicht habe. Das Original steht hier.
Johannes
15. Dezember 2012 @ 18:03
@Beate:
Euro-Austritt fände ich nicht so gut. Dann lieber ein Nord-Euro. Dann braucht Deutschland auch nicht ständig die Versuche vom Süden abwehren, wo es nur wieder ums Geld/Vermögen der Deutschen und Tranferzahlungen Richtung Süden geht.
Robert
15. Dezember 2012 @ 23:18
Hallo Johannes,
wie würde diese Währungsumstellung Ihrer Meinung nach ablaufen. Hätte das nur Vorteile für uns oder … ?
Johannes
16. Dezember 2012 @ 20:12
Oh das wäre nicht gut für uns, genauso wie Euro-Bonds/Euro-Bills/Tilgugsfond nicht gut sind.
ebo
14. Dezember 2012 @ 16:09
@ Beate Tja, die Ungleichgewichte wachsen, obwohl das Grundgesetz ein Gleichgewicht fordert. Aber es kümmert keinen. Auch nicht die EU-Kommission. Rehn hat schon angekündigt, dass Deutschland die von der EU gesetzten Grenzen ungestraft überschreiten darf. Aber bei „Defizitsündern“ greift man hart durch…
Johannes
14. Dezember 2012 @ 18:09
„und seine zunehmende Ausrichtung auf außereuropäische Märkte. “ Ach so, Deutschland muss gezwungen werden, mehr in Europa zu verkaufen, damit der Süden sich noch mehr verschuldet. Verrückt.
„und die Bürger endlich wieder mehr verdienen würden“ Das wurde in den letzten 10 Jahren im Süden praktiziert und es ging mächtig schief. Und jetzt soll das die Lösung aller Probleme sein? Amüsant.
Deutschland ist natürlich an allem schuld *hahaha.
ebo
14. Dezember 2012 @ 18:15
Schau dir einfach mal die Statistik der Leistungs Bilanzen an und les mal das Grundgesetz
Beate
14. Dezember 2012 @ 22:32
Die Frage ist kann die EU auf Dauer mehr Waren ins Ausland verkaufen, als es Waren von dort importiert?
Also ich glaube der Devisenmarkt wird reagieren und den Euro gegenüber anderen Währungen (Angebot an Euro wird knapper, da immer mehr Ausländer ihre Währung gegen Euro eintauschen wollen , die müssen unsere Waren in Euro bezahlen) aufwerten.
Deutschland macht damit die Auslandsmärkte der anderen kaputt.
Es wäre besser Deutschland würde zum verlassen der Eurozone aufgefordert werden.
Merkels Politik hat nur einen Sinn, den Sozialstaat ein für alle mal abzuschaffen.
Sie zieht das Erbe Adenauers in den Dreck.
Will die CDU das wirklich?
Beate
14. Dezember 2012 @ 16:02
Im DLF kam gestern die Meldung Merkel will dauerhaft Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone steigern.
Was passiert.
Gehrt ein Aufschrei durch Deutschland?
Der Wechselkurs schützt immer die Industrie vor dem Wettbewerb aus dem Ausland!
Innerhalb einer Währungsunion allerdings sieht die Sache anders aus.
Der Wettbewerb innerhalb der Währungsunion bedarf dringend gesetzlicher Regeln.
Frau Merkel weigert sich zum Beispiel einen allgemein verbindlichen Mindestlohn in Deutschland einzuführen.
Sie weigert sich die Flächentarifverträge zu reregulieren.
Der Quatsch mit den betrieblichen Vereinbarungen muß sofort verboten werden.
Sie weigert sich Unternehmen mit dem Satzz X% zu besteuern.
usw.
Flächentarifverträge hätten übrigens zur Folge , dass die Zwangsverschleppungen durch Aushungern, nach Deutschland sofort gestoppt würden.
Unternehmen in Südeuropa können sich endlich darauf konzentrieren, ihre Arbeitsabläufe zu verbessern, usw.
Am Ende ist der Kuchen größer der verteilt werden kann.
Merkels dumme Wirtschaftspolitik läßt den Kuchen von Jahr zu Jahr kleiner werden.
Wie wichtig öffentliche Investitionen sind ein Vergleich:
Gesamte Sachanlageinvestitionen chemische Industrie Deutschland 2011 6,6 Milliarden Euro.
Stuttgart 21 voraussichtliche Investitionskosten 10 Milliarden Euro.
Das WAHNSSINNIGE, in einer absoluten BOOMREGION wirft die öffentliche Hand Geld zum Fenster raus.
Die Ungleichgewichte in Deutschland wachsen noch mehr.