Das nächste Rettungspaket

Die EU-Gipfel werden immer mehr zur Schauveranstaltung. Diesmal sollen überhaupt keine Beschlüsse gefasst werden – mit Rücksicht auf US-Präsident Obama und Kanzlerin Merkel, die im Wahlkampfmodus sind und Ruhe an der Eurofront fordern. Dabei stehen dringende, für die Stabilität der Eurozone entscheidende Themen wie die Bankenaufsicht und die Stützung der spanischen Banken an. Außerdem bereiten die Euroretter hinter den Kulissen bereits das nächste Rettungspaket vor – es wird größer als alles bisher Dagewesene.

Der Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit sollen es noch nicht wissen. Doch in Brüssel pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Das wird ein ziemlich dickes Paket. Denn nicht nur Griechenland braucht dringend neue Finanzhilfe. Auch Spanien, Zypern und sogar Slowenien blicken begehrlich nach Brüssel. Insgesamt sind also vier Länder auf Unterstützung angewiesen – so viel wie noch nie seit Beginn der Eurokrise vor drei Jahren. Und noch nie gab es so viele verschiedene Notlagen, auf die sich die Euroretter einstellen müssen. Jedes Land ist anders, die Krise wird immer komplizierter. Hier ein Überblick:

Griechenland. Das Land braucht spätestens Mitte November die längst zugesagten 31,5 Mrd. Euro aus dem zweiten Rettungsprogramm. Zuvor muss es allerdings die damit verbundenen rund 90 Spar- und Reformauflagen erfüllen. Die Eurogruppe hatte der griechischen Regierung ein Ultimatum bis zum EU-Gipfel gesetzt. Zudem sollen neue Hilfen vom immer wieder aufgeschobenen Bericht der internationalen Troika abhängig gemacht werden. Allerdings hat Finanzminister Wolfgang Schäuble einen Staatsbankrott Griechenlands bereits ausgeschlossen – früher oder später wird die fällige Hilfstranche also fließen. Wie es danach weitergeht, weiß allerdings niemand. Denn schon jetzt ist klar, dass Griechenland mehr Zeit und mehr Geld für die Sanierung braucht. Von einem neuen Schuldenschnitt und einem dritten Rettungspaket ist die Rede – doch Berlin ist strikt dagegen. Die Zitterpartie geht also weiter, die Notlage auch. Gerade rollt wieder eine Streikwelle durch Griechenland, eine Beruhigung ist nicht in Sicht.

Spanien. Die Eurogruppe hat bereits bis zu 100 Mrd. Euro zur Sanierung maroder Banken zugesagt. Nun könnte die Regierung in Madrid auch noch um Hilfe der Europäischen Zentralbank bitten, um die hohen Anleihezinsen auf ein erträgliches Maß zu drücken und das Staatsbudget zu entlasten. Allerdings zögert Regierungschef Rajoy. Er möchte zuerst die Hilfs-Konditionen kennen – und ein Spardiktat der Troika (wie in Griechenland) vermeiden. Angeblich hat er sogar schon einen Trick gefunden, um sein Gesicht zu wahren: Spanien könnte beim neuen Rettungsschirm ESM einen Kredit beantragen, den es dann gar nicht nutzt. Dennoch könnte so das Anleiheprogramm der EZB ausgelöst werden. Allerdings steht auch hier Berlin auf der Bremse. Außerdem hat sich die Lage auf dem Anleihemarkt etwas entspannt. Der Hilfsantrag, den die EU seit Wochen erwartet, könnte also auf sich warten lassen.

Zypern. Die Mittelmeerinsel führt gerade den EU-Ratsvorsitz, ist aber selbst auf Finanzhilfe angewiesen. Als wäre dies nicht schon peinlich genug, streiten die Verhandlungsführer von Zypern und Eurogruppe auch noch seit Wochen über den Hilfsbedarf. Mal ist von fünf, dann wieder von bis zu 15 Mrd. Euro die Rede. Damit soll der zypriotische Bankensektor gestützt werden soll, der eng mit Griechenland verflochten ist. Erschwert wird eine Einigung nicht nur durch die bevorstehenden Wahlen im Februar 2013 – die regierenden Kommunisten scheuen harte Sparprogramme. Erschwert wird sie auch durch die engen Beziehungen zu Russland – in Brüssel verdächtigt man die Zyprioten, einen Sonderdeal mit Moskau zu suchen.

Slowenien. Das Balkanland galt einst als Musterschüler der Eurogruppe, nun ist es ein Pleitekandidat. Ähnlich wie in Spanien ist nicht etwa der Staat, sondern der private Bankensektor Schuld an dem Debakel. Minister-präsident Janez Jansa schlug schon im September Alarm, doch bisher liegt in Brüssel kein offizieller Hilfsantrag vor. Slowenien wäre bereits das sechste Euroland, das auf Hilfe angewiesen wäre – die Krise weitet sich aus.

Der EU-Gipfel soll aber genau den gegenteiligen Eindruck vermitteln: die Lage hat sich entspannt, wir haben alles im Griff. Mal abwarten, ob diese PR-Aktion gelingt. Fest steht schon jetzt,dass es im November einen EU-Sondergipfel geben wird. Der soll sich zwar um das nächste EU-Budget drehen. Doch wahrscheinlich wird den Eurorettern dann ein dickes „Paket“ auf die Füsse fallen…

Siehe zu diesem Thema auch die aktuelle Umfrage: Wie lange bleibt Griechenland noch im Euro?