Das große Scheitern

2015 war ein rabenschwarzes Jahr für die EU. Solidarität wurde zum Fremdwort, der Regelbruch zur Regel. Um die Krise zu lösen, rüttelt Kanzlerin Merkel nun auch noch an Grundprinzipien der europäischen Einigung.

Martin Schulz gilt als hartgesottener Politiker. Doch beim letzten EU-Gipfel des Jahres in Brüssel zeigte sich der Chef des Europaparlaments tief erschüttert: „Ein solches Jahr habe ich noch nicht erlebt.“

Terror, Krisen und das Auseinanderdriften der 28 EU-Staaten hätten 2015 zum „annus horribilis“ gemacht, so der SPD-Politiker.

Tatsächlich wirkt die EU zum Ende dieses „Horrorjahrs“ schwer angeschlagen. Bei ihrer Sitzung Mitte Dezember konnten sich Kanzlerin Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs auf kein einziges zukunftsweisendes Projekt einigen.

Die Schlussfolgerungen des Gipfels lesen sich wie ein Dokument des Scheiterns.

Vor allem die Flüchtlingskrise beutelt die Union, die in Wahrheit gar keine mehr ist. „Zu wenig Europa, zu wenig Union“, hatte Kommissionspräsident Juncker schon im September bei seiner Rede zum „State of the Union“ geklagt.

Damals hatte Ungarn gerade seinen Zaun gebaut, Osteuropa verweigerte Solidarität.

Doch das große Scheitern sollte erst noch kommen. Deutschland setzte eigenmächtig die Dublin-Verordnung aus, die die gemeinsame Asylpolitik regelt, und nahm im Alleingang hunderttausende Syrer auf.

Kurz darauf hebelte Berlin auch noch die Schengen-Verordnung zur Reise-Freiheit aus, indem Grenzkontrollen eingeführt wurden.

Kanzlerin Merkel übernahm mit ihrem „Wir schaffen das“ zwar die Führung in der Flüchtlingspolitik. Doch außer Österreich zog kaum jemand mit.

Quoten, Hotspots, Kontingente – egal, was die EU beschloss, es wurde nicht umgesetzt. 2015 wird als das Jahr in die Geschichte eingehen, in der der Regelbruch zur Regel wurde.

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