Dank Donald
US-Präsident Trump ist in Brüssel. Hier wird er noch gefürchtet – der selbst ernannte Deal-Maker gilt als unberechenbarer Nato-Shaker und zynischer EU-Breaker. Doch eigentlich müssten ihn alle lieben.
Denn seit Trump an der Macht ist, sind EU- und Nato-Länder zusammengerückt. Aus Angst, der US-Präsident könne die “obsoleten” Organisationen aufmischen, haben sich plötzlich alle ganz lieb.
Dank Donald gilt Kanzlerin Merkel, die die EU mit ihrer Griechenland- und Flüchtlingspolitik 2015 gleich zweimal in die Krise gestürzt hat, plötzlich als Retterin Europas, wenn nicht der freien Welt.
Dank Trump wirken die europäischen Nationalisten vom Schlage eines Wilders oder einer Le Pen plötzlich wie lächerliche Dilletanten, denen man lieber keine hohen Ämter anvertraut.
Schließlich will niemand in Brüssel so ein Chaos haben wie in Washington. Dass die Wahlen in den Niederlanden und Frankreich einigermaßen glimpflich abgelaufen sind, ist auch ein Trump-Effekt.
Die Einheit ist nur Fassade
Klar, der Wirrkopf aus Washington ist nicht allein. Auch das neue alte Schreckgespenst Putin und unser “Schlüsselpartner” Erdogan führen die Europäer zusammen. Sogar der Brexit hilft.
Es ist der Kalte-Kriegs-Effekt: die äußere Bedrohung schweißt zusammen, die Angst vereint. Nie waren EU und Nato so beliebt wie heute, da Trump sie kurz und klein schlagen will – oder wenigstens so tut.
Doch die Einheit ist nur Fassade. Dahinter bröckelt es munter weiter. Merkel ist es genauso wenig gelungen, die EU zusammenzuführen, wie es ihr gelingen will, die CSU auf CDU-Kurs zu bringen.
Alle tun nur, als ob
Alle tun nur, als ob. Trump tut so, als ob er plötzlich Gefallen an Nato und EU gefunden habe. Merkel tut so, als ob sie für die ganze EU sprechen könne. Die Nato tut so, als ob sie uns verteidigen könne.
Nichts von all dem ist wahr. Dank Donald sind wir in einem neuen Zeitalter angekommen. Sollen wir es post-faktisch nennen? Oder post-amerikanisch, vielleicht sogar post-europäisch? Wait and see…
GS
25. Mai 2017 @ 23:13
Macht nichts, ebo. Merkel wird wieder 40 % holen. Vielleicht reicht es sogar trotz AfD zu Schwarz-Gelb. Ich verstehe zwar spätestens seit 2015 auch nicht mehr, wie das möglich ist, aber man muss einfach sagen, dass SPD und Grüne unglaublich schwach sind, auf so vielen Politikfeldern richtig mies positioniert, teils diametral gegen die Interessen der eigenen potenziellen Wählerschaft. Das trifft auch auf EU-Fragen zu, auch wenn Du das nicht gerne hörst. Merkel und ihre CDU machen nur Mist, aber von SPD und Grünen ist aktuell nur noch Schlimmeres zu erwarten. Das ist das Problem.
ebo
25. Mai 2017 @ 23:20
@ Die SPD macht europapolitisch keinen Mist, sondern gar nichts. Und die Grünen interessieren sich kaum noch für Europa.
hintermbusch
29. Mai 2017 @ 16:03
Weitgehend korrekte Analyse.Nur bei der Bewertung von Schwarz-Gelb wäre ich mir nicht so sicher. Das ist keine “Wunschkoalition” für Merkel mehr, sondern ein Risiko:
http://cicero.de/berliner-republik/wahlkampfstrategie-der-fdp-christian-lindners-heisser-reifen.
Oudejans
25. Mai 2017 @ 15:22
>>”… wie es ihr gelingen will, die CSU auf CDU-Kurs zu bringen.”
Sie vereinigt jetzt CDU und EKD, da kann die CSU weiter von Rom träumen. Oder Bayern in 11 bis 13 Bundesländer teilen und Basti I. die Treue schwören, Flagge Rot, Weiß, Blau. Schee…
Peter Nemschak
25. Mai 2017 @ 10:07
Ist Diversität so schlecht? Man muss nicht ständig Einigkeit herbeireden, in der Erwartung, das eigene Selbstwertgefühl dabei zu stärken und Zukunftsängste zu vertreiben, so wie Kinder, die zu singen beginnen, wenn sie sich im Dunklen ängstigen. Wer weiß, was mit Trump weiter geschieht? Seine Anhänger haben bis auf weiteres nationales Großtun ihrer eigenen sozialen Sicherheit vorgezogen. Das muss man respektieren. Irgendwann wird auch Trump Geschichte sein. Hören wir endlich auf vom Volk zu träumen. Wir leben in einer Multimilieugesellschaft, in der jeder von uns mehrere Identitäten besitzt. Die CSU ist ein Milieu von vielen, Bayern eine landschaftlich schöne Region mit tüchtigen Menschen. Freuen wir uns darüber.
hintermbusch
25. Mai 2017 @ 09:13
„Denn seit Trump an der Macht ist, sind EU- und Nato-Länder zusammengerückt.“
Deutschland rückt mit Trump bei der Haltung zu Saudi-Arabien durchaus eng zusammen, ohne das jedoch allzu offen auszusprechen. PR-Senudngen für SA im deutschen Staatsfernsehen ergänzen sich durchaus gut mit dem Honig, den Trump den Saudis ums Maul schmiert. Und auf seiner berühmten Liste mit Einreiseverboten standen sie auch nicht. Sowohl der Trump-Kurs als auch der Anti-Trump-Kurs sind zu einem erheblichen Teil Fassade für das heimische Publikum. Man darf sich davon nicht täuschen lassen und sollte auf die Taten achten, nicht auf die wohlfeilen Reden.
„die CSU auf CDU-Kurs zu bringen.“
Gut, dass sie das nicht schafft. Die CSU ist schließlich die einzige Volkspartei, die noch übriggeblieben ist.