„Dammbruch“ bei der Rüstung
Bisher verstand sich die EU als „Soft Power“, die Konflikte gewaltfrei löst. Doch nun plant sie eine massive Aufrüstung: Über einen neuen Fonds sollen aus EU-Mitteln jährlich 5 Mrd. Euro in Militärprojekte fließen.
Das hat die EU-Kommission vorgeschlagen. Unter dem hochtrabenden Titel „Ein Europa, das verteidigt und schützt“ (und mit einer grünen Friedenstaube) präsentierte die Behörde drei Szenarien zur Verteidigungspolitik.
Dabei ist auch ein „Business as usual“. Doch die Präferenz liegt eindeutig beim „ambitioniertesten“ Szenario einer „Verteidigungsunion“. Der Rüstungsfonds ist dafür der Grundstein.
Der Vorschlag passt „gut“ in die Zeit: Paris fordert schon lange eine gemeinsame Verteidigungspolitik, neuerdings zieht auch Berlin mit. Der Leitspruch klingt, als wäre er bei Macron abgeschrieben.
Allerdings bleiben sowohl Macron als auch Kommissionschef Juncker die Antwort schuldig, gegen wen bzw. für was die EU eigentlich aufrüsten soll. Geht es gegen Russland, um Flüchtlings-Abwehr?
Unklar bleibt auch, wo das Geld herkommen soll. Offenbar will es die Kommission aus dem Forschungsbudget abzwacken. Auch die Entwicklungshilfe wird zunehmend für Rüstungszwecke mißbraucht.
Sozialdemokraten, Grüne und Linke haben denn auch wenig begeistert reagiert. Von einer „Geldspritze für die Rüstungsindustrie“ sprechen die Grünen, von einem „Dammbruch“ die Linken.
Nur eine jubelt: Verteidigungsministerin Von der Leyen begrüßte den Vorschlag „ausdrücklich“. Klar, die Bundeswehr kann noch ein paar moderne Waffensysteme brauchen – wenn Brüssel zahlt, umso besser!?
Peter Nemschak
7. Juni 2017 @ 18:36
Will man auf Dauer nicht auf die USA angewiesen sein, bedarf es militärischer Rüstung in einer möglichst kostengünstigen Form. Warum sollte sich die EU jetzt auf einen Feind festlegen? Das würde ihren internationalen Handlungsspielraum unnötig begrenzen. Was demokratische Kontrolle betrifft, darf sie den Entscheidungsprozess nicht unnötig verzögern. Der amerikanische Präsident ist strukturell auf Grund der dortigen Präsidialdemokratie in militärischen Angelegenheiten handlungsfähiger als seine europäischen Kollegen. Ohne europäischen Bundesstaat wird die EU immer hinter den anderen Großmächten nachhinken.
Peter Nemschak
7. Juni 2017 @ 17:59
Dass die Linken noch immer nicht verstehen wollen, dass eine wirkungsvolle soft power durch eine glaubwürdige hard power gestützt werden muss, zeigt, dass sie immer noch die Politik der Eurokommunisten aus der Zeit des Kalten Kriegs verfolgen, Europa zu schwächen und zu neutralisieren. Sie können es nicht lassen – unbelehrbar. Erstaunlich, dass es eine solche Partei immer wieder schafft, ins Parlament zu kommen.
ebo
7. Juni 2017 @ 18:28
@Nemschak Die LINKE hat völlig recht: Hier vollzieht die EU einen Dammbruch, denn sie will EU-Gelder erstmals direkt für militärische Zwecke nutzen. Das kann man durchaus machen, wenn man Hardpower entwickeln und einsetzen möchte. Dann muss man aber auch 1. sagen wofür (wer ist der Feind?) 2. eine demokratische Kontrolle einführen (Militär ohne Parlament geht gar nicht) 3. das EU-Budget entsprechend erhöhen oder begründen, warum Militärforschung wichtiger sein soll als zivile Forschung. Wenn es nur darum geht, dass Europa jetzt eine eigene Drohne entwickelt, ist es Geld- und Zeitverschwendung.
Cottin
7. Juni 2017 @ 17:29
Ebo, ein sehr guter Artikel.. Wenn die Eu nichts macht ist es schlecht.., nun haben Sie einen Vorschlag, nicht ganz meinem Geschmack, und agieren ! Was ist da sooo falsch endlich mal bezüglich des Militärs mal nach zudenken. Es wird viel Wasser den Rhein runter fliessen bis man Dort einig wird ! Letzendlich warten wir besser UK ab.. und den Streit am Golf inclusive IRAN .
ebo
7. Juni 2017 @ 17:53
@Cottin Liebe Elke, das Problem ist, dass das Geld aus dem EU-Forschungsbudget abgezweigt wird und damit für zivile Forschung fehlt. Zudem übersieht die Kommission, dass die EU-Länder ihre Rüstung exportieren und dabei miteinander heftig konkurrieren. Sinnvoller wäre es, erst einmal die Beschaffungsregeln so zu ändern, dass die nationalen Rüstungsmärkte geöffnet werden. Zudem müssten die Exportrichtlinien harmonisiert werden. Wenn man danach immer noch unbedingt Rüstung mit EU-Geld fördern will, dann muss man auch das EU-Budget entsprechend anheben!
Peter Nemschak
7. Juni 2017 @ 18:24
…zumindest nicht aus dem Forschungsbudget abziehen, vielleicht aber aus dem überdotierten Agrarbudget, das zu falschen Anreizen führt und überdies einer effektiven Entwicklungspolitik im Weg steht. Für den Rest stimme ich Ihnen voll zu.