„…da wäre ich an einem Schock gestorben“

Wo steht die Europäische Union ein Jahr vor dem Brexit? Kann sie die verlorene Einheit wiederherstellen – oder kommt es zu einer neuen Spaltung?  

Zu diesem Thema habe ich einen Vortrag bei den „Jungen Europäischen Föderalisten“ gehalten. Die zehn wichtigsten Thesen habe ich einem E-Paper zusammengefasst, das man hier herunterladen kann.

Um das „föderale Europa“ geht es dabei nicht mehr. Dabei sah es vor 15 Jahren noch so aus, als sei die EU auf dem Weg zu einer Föderation. Sie galt damals als Modell für die ganze Welt, die Stimmung war optimistisch.

Der britische Historiker Timothy Garton Ash hat das so beschrieben:

Hätte ich mich im Januar 2005 einfrieren lassen, wäre ich als glücklicher Europäer in mein provisorisches Grab gesunken. (…) Hätte man mich im Januar 2017 wieder aufgetaut, wäre ich sogleich an einem Schock gestorben. Denn nun herrscht überall Krise (…) eine europäische Verfassung gibt es nicht, denn die wurde im weiteren Verlauf des Jahres 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt. (…) Und der Brexit bringt für mich die Aussicht, dass ich am dreißigsten Jahrestag der Ereignisse von 1989 meine europäische Staatsbürgerschaft verliere.

Ich habe dieses Zitat aus dem Buch „Europadämmerung“ des bulgarischen Politikwissenschaftlers Ivan Krastev entnommen. Auch er ist ausgesprochen pessimistisch.

„Ist die Europäische Union dazu verdammt, in ähnlicher Weise zu zerfallen wie einst das Habsburgerreich?“ fragt er. Ausschließen lasse sich das nicht, so sein Verdikt.

Denn die Zentrifugalkräfte sind größer geworden. Nach Großbritannien wenden sich auch viele Osteuropäer von Europa ab. Die Wahlsiege Orbans in Ungarn und Kaczynskis in Polen zeigten, dass der “Brüssel-Effekt auf die Festigung der Demokratie” nachlässt. 

Die bei der Osterweiterung der EU weit verbreitete Hoffnung, der Beitritt werde die liberale Demokratie in ganz Europa stärken, hat sich nicht bestätigt.

Stattdessen breitet sich die „illiberale Demokratie“ aus, wie zuletzt auch Frankreichs Staatschef Macron bei seiner Rede im Europaparlament beklagt hat…

Das E-Paper „Vom Modell zum Problemfall“ kann hier heruntergeladen werden – zum Start für nur 99 Cent.