Club der Heuchler (Update 13.5.11)

Früher war D. einmal ein liberales Land 

Die EU-Innenminister kritisieren die Ankündigung Dänemarks, wieder Grenzkontrollen einzuführen. Die Reisefreiheit sei ein hohes Gut und dürfe nicht aus innenpolitischen Gründen aufs Spiel gesetzt werden, warnt Bundesinnenminister Friedrich. Gleichzeitig wollen Friedrich & Co. aber die Regeln im Schengen-Abkommen verschärfen, um sich besser gegen „schwerwiegende Gefährdungen der Sicherheit“ schützen zu können. Zudem sollen die EU-Außengrenzen schärfer bewacht werden.

Mit dieser Doppelstrategie – Kritik an Dänemark, Vorbereitung neuer Barrieren – entpuppen sich die Innenminister als Club der Heuchler. Schließlich würden schärfere Regeln im Schengen-Abkommen auf nichts anderes hinauslaufen als auf neue, härtere und längere (statt wie bisher punktuelle und befristete) Grenzkontrollen. Auch die Begründung ist heuchlerisch: Einerseits heißt es, derzeit sei kein Massenansturm von Flüchtlingen zu befürchten. Andererseits wird die Verschärfung aber just mit der angeblichen „Flüchtlingswelle“ aus Nordafrika begründet. 

Offenbar wollen sich Friedrich & Co. von den Rechtspopulisten in Dänemark absetzen, gleichzeitig aber genau jene Instrumente bereitstellen, die die Populisten dort ebenso wie in Italien, Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Finnland und anderswo längst fordern. Wie in diesem Blog beschrieben, üben die Rechtsauslager bereits in vielen EU-Ländern Einfluß aus; viele scheinbar gemäßigt konservative Regierungen gehen längst auf ausländerfeindliche Forderungen ein.

Deutschland macht da nur scheinbar eine Ausnahme. Schließlich hat Friedrich ja selbst erst vor zwei Wochen mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen gedroht. Zwar sitzt in Deutschland keine offen populistische Partei im Parlament; aber die wenn es um Flüchtlinge geht, ist die schwarzgelbe Bundesregierung alle andere als liberal. 

Die entscheidende Frage ist nun, wie sich die EU-Kommission positioniert. Bisher ist sie nur bedingt auf die Forderungen aus Frankreich und Italien eingegangen, die Schengen-Regeln zu verschärfen. Innenkommissarin Malmström schien vor allem darauf bedacht, sich und ihrer Behörde mehr Kontrolle über das Schengen-Abkommen zu verschaffen. Nun geht es aber zunehmend ums Ganze – um die Reisefreiheit der EU-Bürger, um die Menschenrechte der Flüchtlinge, um nationale Souveränität und europäische Solidarität. 

Wird es der Kommission gelingen, diesen Kampf zu führen – und Europa vor seinen egoistischen und zunehmend populistischen Regierungen zu schützen? Wird sie es überhaupt versuchen? Ich habe meine Zweifel…

Nachtrag 13.5.11

Malmström bestätigt die Zweifel in ihrem Blog, wo sie die Lage ganz offensichtlich beschönigt. Das Innenminister-Trffen habe “support for a strengthenig of Schengen” gebracht, behauptet die Innenkommissarin. Entscheidungen über die Wiederaufnahme von Grenzkontrollen sollten auf EU-Ebene und nicht unilateral fallen. Nur beiläufig räumt sie ein, dass dies “nicht die Meinung aller Mitgliedstaaten” ist. Hat Malmström wirklich verstanden, was auf dem Spiel steht?

Immerhin droht Brüssel Dänemark jetzt mit einem Vertragsverletzungs-Verfahren. Er habe “erhebliche Zweifel”, ob die geplanten Grenzkontrollen durch EU-Recht gedeckt sind, schrieb Kommissionschef Barroso an den dänischen Regierungschef Rasmussen.

 

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