Centeno kommt, die Schäuble-Doktrin bleibt
Zeitenwende in der Eurogruppe: Zum ersten Mal hat die Eurogruppe einen Südeuropäer aus einem ehemaligen Krisenland zu ihrem Präsidenten gewählt. Doch was kann der “Anti-Schäuble” Centeno bewirken?
Diese Frage stellt sich gleich aus zwei Gründen. Zum einen ist die informelle, aber mächtige Eurogruppe nach dem (vorläufigen) Ende der “Rettungs”-Programme in eine tiefe Sinnkrise gestürzt.
Was hat sie noch zu tun, wenn Griechenland wie geplant im Sommer 2018 aus dem letzten Hilfsprogramm aussteigt? Wird sie zum Anhängsel der EU-Kommission, wie dies Juncker wünscht?
Oder wird sie zu einer Wirtschaftsregierung ausgebaut, die dem Europaparlament verantwortlich ist, wie die Frankreichs Staatschef Macron in seiner Sorbonne-Rede gefordert hat?
Zum anderen musste sich Centeno, ein undogmatischer Harvard-Ökonom, zu seiner Wahl auf den Stabilitätspakt und die damit verbundene Schäuble-Doktrin verpflichten.
Er hielt dies sogar schriftlich in seinem Bewerbungsschreiben fest, wie das “Handelsblatt” zufrieden meldet. Eine Abkehr vom Austeritätskurs wird deshalb, wenn überhaupt, nur verbal stattfinden.
Dafür dürfte auch K. Regling sorgen, Schäubles Alter Ego im Eurorettungsfonds ESM. Der ESM soll, so Schäubles Vermächtnis, zum neuen Machtzentrum der Eurozone ausgebaut werden.
Deutschland soll dabei sein (auch gegen Portugal oft und gern genutztes) Vetorecht behalten, im Vordergrund soll die Budget-Kontrolle aller Euroländer (incl. Frankreich) stehen…
Peter Nemschak
5. Dezember 2017 @ 11:06
Die Grenzen des Möglichen werden durch den Umstand gezogen, dass die Volkswirtschaften in der Eurozone, auch was die Verschuldungssituation betrifft, nach wie vor strukturell unterschiedlich sind. Höhere Zinsen würden den deutschen Sparer freuen, den italienischen Staat in den Ruin treiben. Also wird es wie schon in der Vergangenheit einen Kompromiss geben müssen: Geld gegen Reformen für diejenigen die beim Euro weiterhin mitmachen wollen. Je höher die Austrittsbarrieren aus dem Euro, desto stärker ist strukturell die Position der Gläubiger. Sowohl Gläubiger wie auch Schuldner sind Gefangene des Eurosystems und können keine glaubwürdige Austrittsdrohkulisse aufbauen. So gesehen ist es gleichgültig, wer Vorsitzender der Eurogruppe ist. Wer eine Transferunion ablehnt, wird sich mit dem Gedanken einer Verkleinerung der Eurozone anfreunden müssen. Nichts ist alternativlos. Jede Alternative hat Kosten für alle Beteiligten. Zumindest sollte man diskutieren, ob eine (beschränkte) Transferunion möglicherweise auch für die Gläubiger die relativ beste unter denkmöglichen Alternativen ist.