Camerons Drohung

Der britische Premier Cameron will die Eurokrise nutzen, um Sonderkonditionen für sein Land herauszuschlagen. Er strebe eine „neue Vereinbarung“ mit der EU an, sagte Cameron nach einem Bericht der „FT„. Offenbar will er die – ohnehin laxen – EU-Sozialgesetze lockern. Die Drohung richtet sich auch an Berlin, das auf Schmusekurs mit London gegangen ist.

Kopfschütteln über Cameron: So lässt sich die erste Reaktion aus Brüssel zusammenfassen. Für Erleichterung hat zwar gesorgt, dass der britische Premier nicht (mehr) mit einem „Brexit“ (EU-Austritt) droht. Mit Befremden wird aber notiert, dass Cameron die nach der Europawahl 2014 geplante Änderung der EU-Verträge nutzen möchte, um „Änderungen“ am britischen Status vorzunehmen.

Was damit gemeint ist, bleibt vorerst vage. Cameron deutete zwar an, dass er die Arbeitszeit-Richtlinie abschaffen und die Sozialleistungen für Migranten beschneiden will.  Das dürfte aber nur ein Vorgeschmack auf sein Forderungspaket sein, das er in einer Grundsatzrede Ende Januar präsentieren will. Darin dürfte es wohl auch wieder um den Finanzplatz London gehen, vermuten EU-Insider.

Mit Hinweis auf die City hatte Cameron schon im Dezember 2011 den Fiskalpakt abgelehnt. Damals setzte sich Kanzlerin Merkel ohne mit der Wimper zu zucken über die britische Blockade hinweg. Doch inzwischen hat Merkel ihre Haltung geändert. Beim ersten Budget-Sondergipfel im November sucht sie demonstrativ den Schulterschluss mit den Briten (siehe „Merkels neue Freunde“).

Die große Frage ist nun, ob dies nur ein taktisches Manöver war, um die Briten bei der Stange zu halten – oder ob Merkel und Cameron tatsächlich gemeinsame Sache machen, wenn es um den Rückbau der EU geht. Einen ersten Hinweis dürfte der nächste Budgetgipfel Anfang Februar geben. Wenn Cameron und Merkel dann wieder Hand in Hand auftreten, muss man sich auf alles gefasst machen.

Noch sieht es so aus, als stünde Cameron mit seiner Drohung ziemlich allein. Doch wenn Merkel mitzieht, dann ist der Weg für die Abwicklung der EU und den Abbau des Sozialstaats in Europa frei. In der Eurokrise hat Merkel ja schon bewiesen, dass sie knallharte neoliberale „Reformen“ befürwortet – zumindest so lange, wie sie nicht Deutschland treffen und ihre Wiederwahl gefährden…

P.S. Zur Rolle Englands in Europa strahlt „Arte“ morgen eine Doku-Fiktion aus. An der fiktiven Sondersendung aus dem Jahr 2016 habe ich mitgewirkt – wer Lust hat, kann hier reinzappen…