Burkinis – worum es wirklich geht
Ganz Europa diskutiert über Burkinis und die Verbote in Frankreich. In Großbritannien beherrscht das Thema die Titelseiten, in Deutschland die sozialen Medien. Wo ist das Problem?
Scheinbar liegt es in den Verboten. Scheinbar gibt es in Deutschland gar keine Burkas und Burkinis. Scheinbar spinnen die Franzosen, und die Briten können endlich mal wieder lachen!?
Doch so einfach ist das nicht. Es gibt kein landesweites Burkini-Verbot in Frankreich, nur die Burka (Vollverschleierung) ist untersagt – genau wie in Belgien und den Niederlanden.
Es geht den Franzosen auch nicht darum, Muslima zu gängeln – sondern darum, ein Symbol des militanten Islamismus zu treffen. Alle religiösen Symbole sind in dem laizistischen Land unerwünscht.
Dass wir uns darüber ausgerechnet in Deutschland ereifern, ist klar, denn von Laizismus haben die meisten Deutschen keine Ahnung. Sie zahlen immer noch brav ihre Kirchensteuer.
Trotzdem wäre es nett, wenn die deutschen Medien mal versuchen würden, sachlich über das Thema zu berichten – schließlich geht es um unseren wichtigsten EU-Partner Frankreich…
En attendant empfehle ich einen Bericht aus dem britischen “Economist”, der den “Burkini-Ban” ganz gut erklärt. Dazu gibt’s auch einen Lesetipp auf piqd, der Programmzeitung für guten Journalismus…
Ute Plass
31. August 2016 @ 13:22
“…worum es wirklich geht”, ist die Emanzipation von Frau und Mann. Wichtige Impulse dahingehend kamen in unseren Breitengraden von und aus der Frauenbewegung.
Daher traue ich den Frauen, die noch sehr unter patriarchaler Bevormundung leiden,
zu, dass sie ihre Wege in Richtung Freiheit und Selbstbestimmung gehen werden.
Ermutigend folgender Beitrag:
http://www.deutschlandfunk.de/emanzipation-in-saudi-arabien-es-gibt-viel-gravierendere.886.de.html?dram:article_id=364487
Peter Nemschak
28. August 2016 @ 21:38
@Skyjumper Auch ohne die diversen “Eingriffe”, wie Sie es nennen, hätte die Globalisierung (Internet – Wissen um die Lebensqualität in Europa) die Menschen in den Entwicklungsländern in Bewegung gebracht. Im übrigen gab es massive Migrationsbewegungen, periodisch wiederkehrend, seit eh und je. Eine rechtzeitige, d.h. zumindest 20 Jahre zurückreichende, intelligente Einwanderungspolitik (siehe Kanada) hätte unser demografisches Problem sozial- und finanzkostenschonender lösen lassen. Durch die politisch starrsinnige Behauptung, dass Deutschland kein Einwanderungsland ist wurde Migration im Bewusstsein der Gesellschaft verdrängt. Jetzt ist es teurer aber lösbar, so ferne der Zustrom limitiert wird.
Skyjumper
28. August 2016 @ 23:01
“Auch ohne die diversen “Eingriffe”, wie Sie es nennen, hätte die Globalisierung (Internet – Wissen um die Lebensqualität in Europa) die Menschen in den Entwicklungsländern in Bewegung gebracht.”
Stimmt schon. Aber im weitaus geringeren Umfang. Und dass die Quantität in diesem Fall die Wurzel des Übels ist, darin sind wir ja einig.
“Eine rechtzeitige, d.h. zumindest 20 Jahre zurückreichende, intelligente Einwanderungspolitik (siehe Kanada) hätte unser demografisches Problem sozial- und finanzkostenschonender lösen lassen.”
Eine 20 Jahre (besser wäre 30-35 Jahre) zurückweisende intelligente Sozialpolitik hätte dafür gesorgt, das wir kaum ein demografisches Problem hätten. Der Kern unseres demografischen Problems ist ja nicht eine (unter diesem Gesichtspunkt) verkorkste Einwanderungspolitik, sondern das sture und schädliche Festhalten an den (nachkriegsbedingt ZUNÄCHST nicht anders lösbaren) umlagefinanzierten Sozialsystemen, sowie deren fortwährende (und andauernde) Zweckentfremdung durch die Politik. Ohne dieses (gewollte) Versagen der Politik hätten wir so gut wie keine Probleme mit der (vorhergesagten) sinkenden Bevölkerung, bzw. korrekter, der veränderten altersmässigen Zusammensetzung der Bevölkerung.
Im übrigen bin ich der Meinung dass die Lösung unseres demographischen Problems durch eine aktive Einwanderungspolitik (auch eine intelligente wie in Kanada oder Australien) nur eine zeitliche Verschiebung bedingt, also eine Scheinlösung ist. Gelöst wird dadurch strukturell nichts. Im Gegenteil, die Fallhöhe wird weiter ausgebaut. Nicht unbedingt zu meinem Schaden, aber zum Schaden der folgenden Generationen.
Peter Nemschak
29. August 2016 @ 13:34
Das mit der intelligenten Sozialpolitik und der Erzeugung ausreichen vieler Nachkommen müssen Sie den Frauen erklären. Zunehmend viele Frauen entscheiden sich dafür kein Kind in die Welt zu setzen, nicht nur weil es an Betreuungmöglichkeiten mangelt. Unser Problem besteht darin, dass wir uns nicht darauf konzentriert haben Mittelklassemigranten aufzunehmen sondern wahllos Unterschichten hereingezogen haben, die auszubilden, wenn überhaupt möglich, lange dauert und kostspielig ist.
Skyjumper
29. August 2016 @ 15:07
Das ist aber nun wirklich sehr knapp gesprungen und vollkommen an meiner Aussage vorbeiargumentiert. Mal davon abgesehen dass an dem Geburtenrückgang Männer und Frauen gemeinsam ihren Anteil zu vertreten haben, sprach ich doch eindeutig von einer Sozialpolitik die es, durch rechtzeitige strukturelle Änderungen der leider immer noch umlagefinanzierten Sozialsysteme, in der Hand gehabt hätten dafür zu Sorgen dass der Geburtenrückgang kein ( bzw. ein deutlich geringeres) Problem ist.
Würden die Geburtenjahrgänge ab bspw. 1960 über einen vernünftigen Kapitalstock zur Rentenauszahlung verfügen, könnte es uns egal sein ob in 10 Jahren nun 1 aktiver Arbeitnehmer auf 1 Rentner kommt, oder 2, oder 0,5. Ich setze daher nicht bei einer Steigerung der Geburtenrate an, sondern bei der Abschaffung der Umlagefinanzierung und muss Frauen daher gar nichts erklären.
Aber mit den Überschüssen ließen sich ja in früheren Zeiten so vortrefflich Wahlgeschenke finanzieren. Der Staat zahlt bereits heute die Zeche für dieses Versagen indem er jährlich immer abstrusere Summen aus Steuermitteln in die Rentensysteme pumpen muss. Im laufenden Haushalt insgesamt knapp 87 Mrd. €, was einem sehr guten Viertel der Gesamtausgaben des Bundes entspricht.
Betrachtet man sich die Steigerungsraten ist absehbar wann diese Vermauschelung des Versagens nicht mehr finanzierbar sein wird, und vor allem auch der arbeitenden Bevölkerung nicht mehr vermittelbar sein wird. Dann werden auch die Rentner die Last zu spüren bekommen. Rente erst ab 70 Jahren, aber dafür nur noch als einheitliche Grundsicherung. Schaut man dazu noch auf die Steigerung der bisher von mir nicht berücksichtigten Kosten des Etatpostens “Beteiligung des Bundes an der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung” (2012 = 1,9 Mrd. €, 2016 = 6,5 Mrd. €).
Sie können hinschauen wo Sie wollen: Die Fundamente unseres Gesellschaftssystems bröckeln allenthalben. Wer glaubt dass das mit ein paar Millionen Migranten zu beheben sei, der glaubt auch dass der Osterhase das unehelichte Kind des Weihnachtsmann ist. Noch hätten wir es bedingt in der Hand die nötigen Veränderungen aktiv zu steuern, wenn auch unter immensen Schmerzen. In 15-20 Jahren bricht der ganze Mist einfach chaosmässig über uns zusammen.
kaush
28. August 2016 @ 11:44
@ebo
Das kann auch genauso gut Frankfurt (am Main), Wiesbaden, oder Mainz sein. Und in vielen kleinen Orten dazwischen.
Ich glaube es geht nicht um Laizismus, es ist ein Kampf der Kulturen, es geht um Eroberung.
“…Dann will ich es nicht als Fortschritt werten, dass wir wochenlang über etwas diskutieren, über das wir früher in unserer Gesellschaft nicht einmal nachdenken mussten. Dass wir, wie von Aydan Özogüz bereits vor Monaten in freudiger Erwartung verkündet, unser Zusammenleben ab sofort anscheinend wirklich täglich neu aushandeln müssen – und das selbst wenn es um einen Stoffsack geht, der die Frau in der Öffentlichkeit zum Nichts degradiert.
Dass anhand der Diskussionen um Kinderehen, Ehrenmorde, Verhüllungen in unterschiedlichster Ausprägung, aber auch solch vermeintlicher Banalitäten wie Schweinefleisch in den Kantinen längst erkennbar ist, was Broder in Anlehnung an Özogüz Aussage befürchtete – dass wir beginnen, selbst über die wenigen mühsam erkämpften Gemeinplätze des gesellschaftlichen Miteinanders wieder zu debattieren und sie im Zuge des Multi-Kulti-Dogmas infrage zu stellen.
Dann frage ich mich bei aller Ausgewogenheit und Diskursivität der Debatten um Kopftuch, Burka und Schweinefleisch: Ist das noch Fortschritt oder schon Wohlstandsverblödung?…”
http://www.tichyseinblick.de/meinungen/burka-hin-islam-her-fortschritt-gibts-keinen-mehr/
Ich stimme da Anabel Schunke zu.
Für mich ist die Verschleierung / Vermummung eine aggressives Kundtun: Ich lehne euch ab, ich integriere mich nicht in eure Gesellschaft.
Und dich glaube, dass dies viele Franzosen, Belgiern, Österreichern, usw. ebenso empfinden.
Peter Nemschak
28. August 2016 @ 14:16
Ehrenmorde und Kinderehen auf einer Ebene mit Burkinis abzuhandeln zeigt, wie wenig selbstbewusst unsere Gesellschaft ist. Migration hat es immer gegeben, auch die Leitkultur einer Gesellschaft ist stetem Wandel unterworfen. Vergleichen Sie einmal die spießigen 1950-iger Jahre mit heute, dann werden Sie den Wandel sofort erkennen. Sozial aufstiegswillige Migranten wie seinerzeit die Juden aus dem Osten haben erkannt, dass Multikulti nicht funktioniert und ohne Assimilation mit der Mehrheitsgesellschaft ein sozialer Aufstieg praktisch unmöglich ist. Die Zeit der Religionskriege sollte in Europa endgültig vorbei sein. Damit Assimilation funktioniert, ist eine Begrenzung der jährlichen Zuwanderung allerdings unerlässlich. Diese Begrenzung muss auch Flüchtlinge betreffen. Wir können nicht alle aufnehmen, die EU als Ganzes allerdings mehr, wenn viele EU-Länder ihren humanitären Beitrag nicht verweigert hätten.
Skyjumper
28. August 2016 @ 20:34
“Die Zeit der Religionskriege sollte in Europa endgültig vorbei sein.”
Allerdings, das sollte es. Jedoch muss man die Betonung leider auf das Wort “sollte” legen. Denn tatsächlich geben sich unsere Regierungen sowie eine Vielzahl an NGO’s bereits seit einigen Jahren die allergrößten Mühen um neue Religionskriege in Europa fast Zwangshaft kommen sehen zu müssen.
Das beginnt allerdings nicht erst mit der Aufnahme von Migranten in den europäischen Ländern, sondern bereits weit vorher durch die westlichen Eingriffe in die gesellschaftlichen Strukturen der Herkunftsländer dieser Migranten. Und unter “Eingriffen” verstehe ich hier nicht ausschließlich die militärischen Aktionen, sondern bereits die pseudohumanitären Aktionen der diversen NGO’s.
Pjotr56
28. August 2016 @ 01:27
Via fefe
Und falls jemand die Burka-Debatte an sich nicht versteht:
https://pbs.twimg.com/media/Cqna_AmXYAAvkSz.jpg:large
Peter Nemschak
27. August 2016 @ 15:57
Burkinis erinnern an die Bademode bei uns vor 100 Jahren. Inzwischen hat es unsere Gesellschaft gelernt. Die muslimische Nachzüglergesellschaft wird es auch noch lernen. Man gebe ihr etwas Zeit. Europa ist auch nicht an einem Tag erfunden worden.
paul7rear
29. August 2016 @ 09:56
Wobei die damalige Bademode für manch adipösen Anhänger der Fleischeslust auch heute durchaus angebracht ist.
http://www.ahano.de/images/Thumbnails_Gross/forum_bild_beitrag/1469/1469_43_4110.jpg
GS
27. August 2016 @ 13:52
Ich zahle keine Kirchensteuer, aber mir ist das Kreuz allemal lieber als ein Burkini. Mir egal, ob ich damit Nazi, Rassist oder sonstwas bin.
Ist denn in Frankreich auch der Niqab verboten?
In der deutschen Debatte wird immer so getan, als ginge es nur um die Burka. Und die würde ja keiner tragen. Ja, klar – denn es ist ja der Niqab der hierzulande ziemlich präsent ist. Kleine Anekdote dazu. Ich war kürzlich für einige Zeit in einer ostdeutschen Landeshauptstadt. In den Wochen dort habe ich nicht einen einzigen Niqab gesehen. Auch die Zahl der Kopftücher kann ich an einer Hand abzählen. Zurück an meinem Wohnort, einer westdeutschen Universitätsstadt, bin ich innerhalb von fünf Minuten in der Innenstadt auf den ersten Trupp von Niqabträgerinnen gestoßen. Die Zahl der Kopftücher konnte ich schon gar nicht mehr zählen. Es ist schlicht nicht wahr, dass Verschleierung in Deutschland keine Rolle spielt. Und mir scheint das in erster Linie ein Fall von westdeutschem Realitätsverlust zu sein.
ebo
27. August 2016 @ 14:45
@GS Vermutlich geht es um Bonn? Dort gehört der Schleier zum Straßenbild, wie ich kürzlich selbst erlebt habe. Komischerweise hat sich das aber noch nicht bin Berlin oder Hamburg herumgesprochen, wo die Meinungsmacher sitzen!?