So macht Brüssel Politik

Mehr Zeit für Spanien und Portugal, mehr Druck auf Polen: Die EU-Kommission scheint anders zu entscheiden, als erwartet. Vor allem das Ultimatum an Polen überrascht – verbirgt sich dahinter eine neue Politik?


[dropcap]B[/dropcap]isher hatte die Brüsseler Behörde in Sachen Polen keine große Eile an den Tag gelegt. Seit der Einleitung des Rechtsstaats-Verfahrens im Januar war nichts passiert.

Nun hat es Brüssel plötzlich eilig – im Gegensatz zum Defizitstreit mit Spanien und Portugal. Da eiert die Kommission herum, vor allem Behördenchef Juncker zögert.

Heißt das nun, dass die Entscheidungsprozesse politischer geworden sind? Nimmt die EU-Behörde plötzlich Rücksicht auf mögliche Risiken und Nebenwirkungen ihrer Entscheidungen?

Ja und nein. Klar ist, dass Juncker & Co. auf Wahlen Rücksicht nehmen. Sie wollten Warschau nicht sofort nach der Wahl vor den Kopf stoßen, nun wollen sie nicht in den Wahlkampf in Madrid eingreifen.

Der Grund liegt auf der Hand: Es geht darum, den EU-Gegnern keine neuen Argumente zu liefern. Wenige Wochen vor dem Brexit-Referendum in UK treten die Kommissare lieber leise.

Sie lassen ihren Kurs aber nicht von Wahlergebnissen beeinflussen. Sollte die Linke die Wahl in Spanien gewinnen, dann muss sie für die Politik ihrer konservativen büssen – man nennt das Postdemokratie!

Letztlich gelten immer noch die EU-Regeln – und nicht politische Prioritäten. Das Problem ist, dass die Regeln selbst aus politischen Interessen geboren sind – und sich die Prioritäten geändert haben.

Alte Politik, vergangene Prioritäten

So ist das verschärfte Defizitverfahren, das nun in Spanien und Portugal getestet wird, auf Druck aus Deutschland zurückzuführen. Doch beide Länder stellen keine Gefahr für die Stabilität mehr dar.

Ein Stabilitätsrisiko ist demgegenüber das wachsende Ungleichgewicht in der Eurozone, vor allem der exorbitante Überschuss in Deutschland. Doch dagegen unternimmt die Kommission – nichts!

Brüssel macht also durchaus Politik – doch es ist eine alte Politik, die längst vergangene Probleme und Prioritäten reflektiert. Und sie folgt vor allem deutschen Interessen und Regeln…