Referendum in London, Demoverbot in Paris
Das ist ja ein tolles Timing: Ausgerechnet am Tag des EU-Referendums in UK lässt die Regierung in Frankreich eine Demo gegen die von der EU geforderten Arbeitsmarkt-Reformen verbieten.
Die Briten dürfen über die EU abstimmen, die Franzosen sollen die Schnauze halten: Das ist das Signal, das von der Entscheidung in Paris ausgeht. Die Demokratie wird mit Füssen getreten.
Zwar hat der Polizeipräfekt nach einigem Hin und Her doch noch eine „statische Kundgebung“ an der Bastille genehmigt. Doch das politische Signal bleibt. Premier Valls wollte ein Total-Verbot.
Offiziell geht es darum, Krawalle einer „Minderheit“ zu verhindern und die Fußball-EM nicht zu stören. De facto möchte Valls aber vor allem der Gewerkschaft CGT eins auf den Deckel geben.
Die CGT reagierte mit Protesten und einer gut besuchten, hitzigen Pressekonferenz. Man darf gespannt sein, was am Donnerstag folgt. Die Bastille war schon immer für einen Aufstand gut…
Ach ja, die Streiks in Belgien gehen übrigens auch weiter. Am Freitag ist mit Arbeitsniederlegungen zu rechnen. Streiks in Belgien, Aufstand in Frankreich – das Thema ist noch nicht durch…
Peter Nemschak
22. Juni 2016 @ 16:13
Was schert den durchschnittlichen Engländer, wie viele Leute überhaupt in Frankreich – ausgenommen ein paar kommunistische Gewerkschafter – und sonstwo, das Demoverbot wegen Arbeitsmarktreformen? Die Fußball-EM überstrahlt alles.
ebo
22. Juni 2016 @ 16:23
Haben Sie eine Ahnung. Schauen Sie mal auf die Homepage der „FT“. Dort ist das Thema Nr. 1 – vor dem Brexit, und weit vor der EM 🙂
Peter Nemschak
22. Juni 2016 @ 17:05
Liest der durchschnittliche Engländer die FT? Ich glaube, er liest eher die SUN. Außerdem haben die Leute längst, zumindest seit sie heute aufgewacht sind, ihre Entscheidung getroffen.
Andres Müller
22. Juni 2016 @ 13:47
Die EU ist zwar nicht alleine nur ein Projekt der Eliten ( dazu gab es früher zu viele Bemühungen auch von Bürgerseite [links bis rechts ]um dies behaupten zu können).
Aber die EU in der aktuellen Phase ist in einigen Mitgliedsländern zu hohem Teil nur noch ein von politischen Eliten und von wirtschaftlichen Erwägungen (immer weniger sozialer Erwägungen) getragenes Projekt.
In den letzten Jahren wurde die Sache auch immer elitärer, und zwar erkenne ich heute nur noch eine von mächtigen Investoren gesteuerte „Wirtschaftsregierung“ als EU, praktisch ohne Volksbeteiligung.
Das dies dennoch bei Abstimmungen manchmal so aussieht kommt wohl daher, dass es den Eliten bisher nur wirksam gelang den Bürgern Angst vor dem landesspezifischen „EUrexit“ zu machen. Aber eine EU Mitgliedschaft von einer hohen Anzahl Bügern aus teilhabender emotioneller sozialer Bindung zu Europa kann ich wenig erkennen.
Peter Nemschak
22. Juni 2016 @ 16:05
Wann war eine emotionelle soziale Bindung zu Europa bei den Bürgern je besonders ausgeprägt? Solange die Kassa stimmt, sind die Bürger gleichgültig, was die politische Ordnung um sie herum betrifft. Am ehesten ist die gebildete Jugend für Europa begeisterungsfähig.