Breaking the rules (II)

Nach Angaben von ungenannten “Kreisen” will Spanien am Samstag Hilfe aus dem Euro-Rettungsfonds beantragen. Das riecht nach einer gezielten Indiskretion, um nicht zu sagen Desinformation. Denn die Eilmeldungen kommen, wie man an den Ortsmarken der Agenturen unschwer erkennen kann, aus Berlin. Da liegt die Vermutung nahe, dass die Spindoktoren im Kanzleramt am Werk waren – zumal sich auch noch Merkel einmischt und in die Schlagzeilen drängt.

“Falso”, “falsch”: so lautete die kurze und klare Antwort der spanischen Regierung auf die Gerüchte. “Wir wissen von nichts”, hieß es am Freitag bei EU-Währungskommissar Rehn in Brüssel. “Ich habe am Samstag keine Telefonkonferenz einberufen”, stellte Juncker in Luxemburg klar. Drei Dementis aus drei Städten – da kommen schon erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Meldungen auf, die der deutsche Dienst von Reuters und DPA am Vormittag gesendet hatten.

Beide Depeschen kamen aus Berlin, Reuters hatte außerdem in Brüssel und Madrid recherchiert. Ein Teil der Infos sei aus der “deutschen Regierungskoalition” gekommen, räumt Reuters offen einMan kann also an drei Fingern abzählen, dass die anonymen “Kreise” in der Hauptstadt zu suchen sind, vermutlich sogar im Kanzleramt. Die Bundesregierung versucht nämlich bereits seit Tagen mit aller Gewalt, Spanien unter den Euro-Rettungschirm zu drängen. 

Dabei schreckt sie nicht einmal vor einem Bruch der EFSF-Regeln zurück, wie ich in diesem Blog geschrieben habe (“Breaking the rules). Erst wurde Merkels Kettenhund Kauder vorgeschickt, um die Spanier öffentlich unter Druck zu setzen. Nun werden die Nachrichtenagenturen eingespannt, um Madrid und Brüssel  zu überrumpeln. Die Meldung aus Berlin löste denn auch überall hektische Betriebsamkeit aus – und das gewünschte gewaltige Medienecho.

Doch irgendwie lief dann doch nicht alles nach Plan. Am Nachmittag ließ die Kanzlerin überraschend erklären, Spanien habe noch gar keinen Hilfsantrag gestellt. Dabei hatte niemand etwas anderes behauptet; der Antrag soll ja angeblich erst am Samstag kommen. Offenbar hat Merkel gemerkt, dass es mit Gerüchten und “Kreisen” nicht geht. Einen allzu offenen Verstoß gegen journalistische und diplomatische Regeln kann sich selbst die deutsche Kanzlerin nicht leisten. 

Und sie hat wohl auch gemerkt, dass sie sich rechtfertigen muss: Deutschland übe keinen Druck aus, fügte sie hinzu. 

Doch wer soll das nach diesem Hin und Her noch glauben? Das Powerplay zwischen Berlin und Madrid ist nur zu offensichtlich. Allerdings bleibt noch die Frage, wer sich am Ende durchsetzt: Merkel, die Spanien zur Kapitulation zwingen und das Land als Ganzes unter den Euro-Rettungsschirmm drängen will – oder Premier Rajoy, der nur einen begrenzten Hilfsplan für die Banken fordert?

Der Ausgang ist noch völlg offen, denn zumindest bisher stehen die meisten EU-Experten auf Seiten Rajoys…