Bleiben nur die Finnen?

Deutschland verliert einen weiteren Euro-Buddy. Nach Frankreich und Österreich, die schon seit einigen Monaten auf Distanz gegangen sind, deutet sich nun auch in den Niederlanden an neuer, weniger “deutscher” Eurokurs an. Zwar könnte der konservative Premier Rutte nach der Wahl weiter machen. Doch er muss wohl eine große Koalition mit den Sozialdemokraten bilden – und sich von Berlin absetzen.

Bisher bildeten Deutschland, die Niederlande und Finnland eine heimliche “Troika” in der Eurogruppe. Seitdem Frankreich und Österreich um ihr Spitzenrating “AAA” fürchten müssen, haben Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble immer wieder die Nähe zu Niederländern und Finnen gesucht. Gemeinsam hat dieser selbsternannte Elite-Club von S&P’s Gnaden die Konditionen für das aktuelle griechische Hilfspaket diktiert, auch beim Thema Anleihenkauf hielten die Drei beim EU-Gipfel im Juni zusammen.

Doch damit dürfte es nun vorbei sein. Zwar hat der Rechtspopulist Wilders mit seinem strammen Anti-EU- und -Euro-Kurs eine schwere Niederlande erlitten. Auch die Sozialisten, die gegen die strikten Sparauflagen aus Brüssel wetterten, konnten sich wider Erwarten nicht durchsetzen. Doch sowohl bei den Sozialdemokraten als auch bei den Konservativen hat im Wahlkampf ein Sinneswandel stattgefunden, der Merkel und Schäuble kaum gefallen dürfte.

Folgt man “SPON”, so gehen die Holländer gleich in mehreren wichtigen Fragen auf Distanz. Stichwort Griechenland: Rutte & Co. wollen keine Konzessionen machen – ganz im Gegensatz zu Merkel, die offenbar keinen “Grexit” riskieren will. Stichwort EU-Reform: Den Haag beharrt auf nationalen Kompetenzen, Berlin fordert hingegen mehr Macht für Brüssel. Stichwort Sparen: Merkel besteht auf ihrem Fiskalpakt, Rutte will den Sparkurs lockern, um aus der Rezession zu kommen. 

Diese Einschätzung teilt auch C. Mudde in einem Beitrag für den (übrigens empfehlenswerten) Europablog der London School of Economics:

But while the Dutch have shunned the Euro radicals, and the elections do “set the stage for pro-European talks,” things are not back to ‘normal’ in the Netherlands. Because, paradoxically, while the ‘anti-European’ parties might have lost the battle, it remains to be seen whether they also have lost the war. In many ways, these have been the most Eurosceptic elections in Dutch history. Only the Christian Democratic Appeal (CDA) remained truly Europhile, true to the Christian democratic tradition (and reached a new historic low). All other parties held positions that ranged from qualified support to outright sepsis and rejection. Moreover, VVD leader Mark Rutte might have successfully fought off Geert Wilders, for now, but he did this by, among others, promising that he would not bail Greece out again. Similarly, the PvdA’s new leader, Diederik Samson, destroyed SP leader Emile Roemer in the debates, but adopted much of the SP’s anti-austerity position.

Letztlich vollzieht sich in den Niederlanden ein ähnlicher Prozeß wie in Frankreich. Beide Länder haben in Volksabstimmungen den Verfassungsvertrag abgelehnt, beide sind auf Distanz zu Merkels einseitigem Sparkurs gegangen. Und sowohl in Paris als auch in Den Haag haben in diesem Jahr die gemäßigten Linken zugelegt, die Europa auf Wachstum trimmen wollen. Angesichts der schwierigen Wirtschaftslage in beiden Ländern ist dies nur zu verständlich.

Ich glaube zwar nicht, dass dies die traditionell engen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Berlin und Den Haag belasten wird. Doch in der Eurogruppe wird es einsam um die Deutschen. Bisher konnte die Elite-Troika immerhin noch ein Gegengewicht zur neuen Südachse um Frankreich, Italien und Spanien bilden. Doch nun bleiben Merkel wohl nur die Finnen – keine gute Basis, um die EU, wie geplant, noch einmal völlig umzukrempeln…