Bevormundung

Die EU-Kommission will den Vorwurf entkräften, sie sei der Tabaklobby hörig – und verschärft die Tabakrichtlinie. Am Mittwoch schlug die Brüsseler Behörde vor, schlanke Slim- und wohlriechende Mentholzigaretten zu verbieten. Zudem sind Schockbilder und plakative Warnhinweise auf den Packungen geplant – der “mündige Verbraucher” war gestern, nun setzt Brüssel auf Bevormundung.

Der EU-Tabak-Lobby-Krimi geht in die zweite Runde. Im ersten Teil mussten wir staunend mitansehen, wie ein blasser EU-Kommissar namens Dalli über Nacht aus dem Amt gejagt wurde. Angeblich hat er sich auf Händel mit der Tabaklobby eingelassen. Der schwedische Hersteller Swedish Match soll versucht haben, eine Aufhebung des EU-Verbots für Kautakak zu erwirken – angeblich wurden Dalli dafür Millionen angeboten.

Die Vorwürfe wurden nie aufgeklärt, alle am “Dalligate” Beteiligten schweigen. Dalli schoss zurück und behauptete, die ganze Behörde habe Gespräche mit Tabaklobbyisten geführt (daran ist offenbar etwas dran, meldet LobbyControl). Das Europaparlament empörte sich, nickte dann aber doch den hastig nominierten Nachfolger Borg ab. Der gilt zwar als schwulenfeindlich und erzkonservativ, machte aber bei seiner Anhörung eine gute Figur.

Plötzlich steht die Tabaklobby als Verliererin da

Nun hat Borg seinen Entwurf für die neue Tabakrichtlinie vorgelegt – und siehe da, plötzlich sieht die Nikotinlobby wie die große Verliererin aus. Der Entwurf sieht vor, Mentholzigaretten zu verbieten. Zigarettenpackungen sollen noch drastischer als bisher vor den schädlichen Folgen des Rauchens warnen – mit Schockbildern und aufrüttelnden Texten, die drei Viertel der Vorder- und Rückseite ausmachen.

Bevormundung statt Aufklärung, Schock statt Information – dies scheint die neue Devise der EU-Kommission zu sein. Borg wies diesen Vorwurf natürlich empört zurück – genau wie den Verdacht, er sei vor irgendeiner Lobby eingeknickt. Er habe den Vorschlag genauso übernommen, wie es von seinem Amtsvorgänger Dalli ausgearbeitet worden sei, sagte er.

Doch genau das ist das Problem: Niemand weiß, wie dieser Vorschlag zustande kam. Niemand weiß, warum die ursprünglich geplante Einheitspackung ohne Markenlogo in der Schublade verschwand, warum Zigarren und Pfeifen ebenso ungeschoren davonkommen wie Kau- und Schnupftabak. Ist die EU-Kommission womöglich doch vor einer Interessengruppe eingeknickt, vielleicht sogar einer bajuwarischen? Der Name Stoiber war doch auch mal gefallen…

Wir brauchen mehr Transparenz, nicht mehr Bevormundung. Erst wenn Kommissionspräsident Barroso alle Karten auf den Tisch legt und verrät, wie es zu diesem ziemlich unausgegorenen Entwurf kam, und wieso Dalli seinen Stuhl räumen musste, kann der EU-Tabak-Lobby-Krimi ein Happy End finden. Bis dahin gilt: wir brauchen mehr Transparenz – und nicht noch mehr Bevormundung!

Teil eins des EU-Tabak-Lobby-Krimis findet sich hier.