Berlin spricht mit gespaltener Zunge

Der Wahlkampf macht’s möglich: Ab sofort spricht Berlin in der Europapolitik mit zwei Zungen. Die Kanzlerin und die CDU-Minister sagen hü, die SPD-Minister und der Bundespräsident sagen hott – und das ganz offiziell.

Das erste Beispiel lieferten Finanzminister Schäuble (CDU) und Bundespräsident Steinmeier (SPD) am Freitag in Athen. Der CDU-Mann zog die Griechen mal wieder über den Tisch.

Damit sie Geld aus dem laufenden Hilfsprogramm bekommen, müssen sie neue harte Einschnitte für 2019 und 2020 (also nach Ende des Programms 2018) vornehmen – so etwas nennt sich Erpressung.

Gleichzeitig sicherte Steinmeier den Griechen die loyale Unterstützung Deutschlands zu. Ohne Griechenland wäre die EU unvollständig, man könne von Athen lernen etc. pp.

Zwei offizielle, aber völlig widersprüchliche Diskurse. Genauso läuft es jetzt bei Kanzlerin Merkel und Außenminister Gabriel. Merkel ist gegen höhere deutsche EU-Beiträge, Gabriel dafür.

“Im Zweifel muss Deutschland bereit sein, bei den Verhandlungen um den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen seinen Anteil zu erhöhen”, sagte Gabriel mit Verweis auf den Brexit, der ein Loch ins EU-Budget reißt.

Genau das wollen Merkel und Schäuble verhindern. Einige Hardliner im BMF fordern sogar, das EU-Budget um den bald fehlenden britischen Beitrag zu kürzen. Cherchez l’erreur!

Aber alle zusammen behaupten natürlich, dass Deutschland in der Europapolitik an einem Strang ziehe, die EU zusammenhalte und ein absolut verlässlicher Partner sei…