Banken sollen bluten (deutsche nicht)

Der Zypern-Deal entpuppt sich mehr und mehr als Blaupause für die weitere Strategie der Euro“retter“. Künftig sollen die Banken bluten, wenn eine Pleite droht. Das könnte ein Fortschritt sein, aber auch eine böse Falle.

Freut Euch doch endlich! Klatscht Schäuble wenigstens einmal Beifall! Dies war die Reaktion vieler taz-Leser, aber auch einiger Abonnenten dieses Blogs nach der Zypern-„Rettung“.

Endlich gehe es den Bankern an den Kragen, endlich müsse nicht nur der Steuerzahler für die Fehler auf Zypern haften. Ist es nicht das, was die Schäuble-Kritiker immer gefordert haben?

Okay, freuen wir uns einen Moment mit. Es ist gut, dass endlich einmal eine Pleite-Bank abgewickelt wird. Es ist auch okay, wenn Finanzjongleure zur Kasse gebeten werden.

Das Problem ist nur: Auf Zypern ist dies willkürlich geschehen. Warum macht man die Laiki-Bank dicht, und nicht die Bank of Cyprus? Warum sollten erst alle Bankkunden zahlen, und dann nur die Reichen?

Wieso beläuft sich der „Bail-in“ auf 7 Mrd. Euro, und nicht auf 6 oder 8? Und wieso werden die Konditionen sogar noch nach dem Deal ständig geändert? Nicht einmal die Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs ist sicher.

Die „Rettung“ ist ein Ausverkauf

All das weist darauf hin, dass hier etwas nicht stimmt. Und richtig: Erst wurde Zypern monatelang hingehalten. Und dann passte nicht einmal die Begründung für die „Rettung“, die in Wahrheit ein Ausverkauf ist.

Der Kern des Problems war nicht etwa der aufgeblähte Banksektor, auch nicht der böse Russe oder der sture Zyprer, sondern Schäubles verfehlte Griechenland- „Rettung“, die Zypern in den Abgrund zog. Dazu die „New York Times“:

Charles H. Dallara, the lead representative for the banking industry who negotiated with European officials in 2011 in a bid to keep the losses imposed on Greek bonds as low as possible, said the writing was on the wall.

It was “very clear that the effect of the Greek deal on Cypriot banks would be severe,” said Mr. Dallara, the former managing director of the Institute of International Finance, the banks’ lobbying group. “But there were elections coming up, and the tendency in Brussels is to let these things drift. So nothing was done.”

Aber geschenkt, das habe ich bereits mehrfach geschrieben (zuletzt in „Ende eines Geschäftsmodells“). Wenden wir uns der Eingangsfrage zu: Ist das Ganze nun ein Fortschritt, oder eine Falle?

Fortschritt oder Falle?

Das hängt ganz davon ab. Und zwar erstens, ob man es aus der Sicht der Anleger oder der Bürger bzw. Steuerzahler sieht. Und zweitens, ob es zu einer Renationalisierung der Banken führt, oder zu einer europäischen Bankenunion.

Zum ersten Punkt: Was den deutschen Michel begeistert, verstört die internationalen Anleger, wie die panischen Marktreaktionen auf den dilettantischen Herrn Dijsselbloom gezeigt haben.

Macht nichts, könnte man sagen, wir wollen kein spekulatives Geld in dubiosen Steuerparadiesen. Sehe ich auch so. Doch so wie die Debatte läuft, sind plötzlich alle Banken und alle Finanzzentren betroffen.

Malta, Luxemburg und Slowenien zittern, auch Italien und Spanien machen sich Sorgen – nur die City of London, das größte Casino Europas, bleibt außen vor (denn da gibt es keinen Euro).

Kurz: die Eurozone könnte sich wieder einmal selbst ins Knie schießen, Schäuble & Dijsselbloem könnten die Euro- und Bankenkrise nicht lösen, sondern sogar noch anheizen.

Die Opfer sollen selbst zahlen

Der zweite Punkt ist fast noch wichtiger. So, wie es in Zypern gemacht wurde, werden die Kosten nicht nur den Banken, sondern auch den Bürgern aufgebürdet. Die Opfer sollen für ihre „Rettung“ selbst zahlen. Das ist pervers. Es ist tatsächlich ein „Selbstmord auf Raten“.

Die EU hat eigentlich etwas ganz anderes beschlossen: Künftig sollen nicht mehr die Steuerzahler, sondern die Kapitaleigner – und zwar aller Institute, nicht nur die der Krisenländer – für Bankenkrisen einstehen.

Nach der gemeinsamen Bankenaufsicht soll ein gemeinsames Abwicklungs-Regime sowie eine harmonisierte Einlagensicherung entstehen. Im Notfall soll der ESM klamme Banken rekapitalisieren und ggf. auch abwickeln.

Dies hätte den Vorteil, dass man nach europäischen Regeln vorgeht, dass die meist grenzüberschreitend agierenden Banken auch entsprechend behandelt werden, und dass es nicht zu einer Renationalisierung der Risiken und Lasten kommt.

Im Falle Zyperns hätte man die beiden großen Pleitebanken verstaatlichen, und dann mit ESM-Hilfe abwickeln oder umbauen können. Auch in diesem Fall könnte man Bankeigner und -kunden zur Kasse bitten – aber nicht nach willkürlichen Ad-Hoc-Regeln, sondern nach geordneten EU-Verfahren.

Schäuble torpediert die Bankenunion

Doch genau das, und jetzt kommt’s, wollen Schäuble & Co. verhindern. Sie haben sich nicht nur gegen einen Einsatz des ESM in Zypern gewandt, sondern wollen sogar erreichen, dass der Euro-Rettungsfonds niemals für die Rettung von Banken eingesetzt wird.

Damit torpedieren sie nicht nur die Beschlüsse des EU-Gipfels vom Juni 2012. Sie entleeren auch die Bankenunion ihres Sinns und frustrieren Länder wie Irland oder Spanien, die auf Hilfe aus dem ESM gehofft hatten.

Vor allem aber fördern sie eine Renationalisierung des Bankings in der Eurozone, die diese letztlich ad absurdum führt. Wir haben dasselbe Geld, oft auch dieselben Banken, aber nicht dieselben Zinsen, nicht das gleiche Risiko – und nicht die gleichen Sicherheiten.

Das kann, ja muss zur Flucht des Kapitals in den angeblich sicheren Norden führen. Doch selbst dort wird es Probleme geben, wenn Finanzplätze wie Luxemburg in Frage gestellt werden.

Kollektivschuld der Krisenverlierer

So legen wir mit einem scheinbar gerechten Prinzip die Axt an die Währungsunion. Wenn Schäuble & Co. durchkommen, so wird die eigentlich sinnvolle  Verursacherhaftung zu einer Art Kollektivschuld der Krisenverlierer umgedeutet.

Die Banken sollen zahlen, aber bitte schön nicht die deutschen – das ist das Ergebnis. Und SPD und Grüne klatschen dazu auch noch Beifall. Oder bemerken sie doch noch den Schäuble-Trick – und lehnen die Zypern-„Rettung“ unter diesen Vorzeichen ab?

Siehe zu diesem Thema auch den Beitrag „Die ungelenkte Rakete“ in „Never Mind the Markets“ sowie die Analyse von Y. Varoufakis: „The Good, the Bad and the Very Bad“

Illustration: Face Art Eberhard Bonse