Außer Kontrolle

Auch Gaddafi profitierte von EU-Hilfen 

Die EU hat ihre Finanzhilfe für Drittstaaten nicht im Griff. Weniger als die Hälfte der Entwicklungshilfe komme wirklich armen Ländern zugute, heißt es in einer neuen Studie von Open Europe. Besonders viel Geld kassiere ausgerechnet die relativ wohlhabende Türkei. Sie führte 2009 mit rund 550 Millionen Euro die Liste der Hilfsempfänger an – wobei allerdings auch die Heranführungshilfe für den geplanten EU-Beitritt mitgezählt wurde.

Die EU-Kommission bestreitet die Vorwürfe, meldet die „Welt„. Budgetkommissar Lewandowski kommt die Kritik ungelegen, da er gerade eine Erhöhung des EU-Budgets für 2012 um 4,9 Prozent fordert, was Deutschland und andere große EU-Staaten vehement ablehnen. Mehr Geld soll auch in die Außen- und Entwicklungspolitik fließen: Für die „EU as a Global player“ sind 0,8 Prozent mehr als 2011 vorgesehen, insgesamt rund 9 Mrd. Euro (von 132 Mrd. für das Gesamtbudget).

Immerhin räumen Brüsseler Insider ein, dass viele Hilfsprojekte im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht oder nur ungenügend überprüft werden. Das meiste Geld gehe direkt an Regierungen oder Hilfsorganisationen vor Ort, sagte eine hochrangige EU-Diplomatin; eine Kontrolle finde nur selten statt. Die EU habe einfach nicht genug Personal, um alles detailliert gegenzuchecken.

Die mangelnde Kontrolle führt dazu, dass die Ziele der EU-Hilfe oft verfehlt werden. Besonders deutlich wurde dieses Problem in den Ländern Nordafrikas. Zwar waren Hilfsmittel oft zweckgebunden oder konditioniert; z.B. wurde die Einhaltung von Menschenrechten gefordert. Doch in der Praxis profitierten oft die korrupten Regimes und nicht die Menschen, räumt man hinter vorgehaltener Hand in Brüssel ein. Problematisch ist vor allem die direkte Budgethilfe, die rund 50 Prozent der EU-Hilfen ausmacht. Denn dieses Geld kommt direkt den Regierungen zugute.

Ein anderes, wenig beachtetes Problem ist aber auch die wirtschaftspolitische Ausrichtung der Hilfe. Vor dem arabischen Frühling stellte die EU – ganz ähnlich wie IWF und Weltbank – den Regimes in Nordafrika ein gutes Wirtschafts-Zeugnis aus, wie dieser Bericht der „New York Times“ belegt.

Erst jetzt geht den Experten in Brüssel und Washington langsam auf, dass die Politik vor allem den Alleinherrschern und ihren Clans, kaum jedoch den Menschen geholfen hat. Man darf gespannt sein, ob die neuen Hilfsprogramme, die derzeit aufgelegt werden, anders gestrickt sind…

 

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