Aufstand der Anständigen

Vor dem EU-Gipfel wächst der Widerstand gegen den Flüchtlingspakt, den Kanzlerin Merkel mit der Türkei schließen will. Auch deutsche Grüne melden Bedenken an – ein Gastbeitrag aus dem Europaparlament.


Von Ska Keller

Diesen Donnerstag treffen sich die 28 Staats- und Regierungschefinnen und –chefs erneut und wollen einen Deal mit der Türkei festzurren, der Flüchtlinge davon abhält, nach Europa zu kommen.

Was genau da beschlossen werden soll, ist nach dem kryptischen Abschlussstatement des Gipfels von letzter Woche noch sehr unklar. Aber alles deutet auf eine massive Einschränkung des Asylrechts und der Genfer Flüchtlingskonvention hin.

Alle, die auf den griechischen Inseln ankommen, sollen sofort in die Türkei abgeschoben werden. Das würde bedeuten, dass niemand mehr Asyl in der Europäischen Union beantragen kann, die oder der den Weg über Griechenland wählt.

Gleichzeitig soll für jedeN SyrerIn, die zurück in die Türkei abgeschoben wird, einE SyrerIn von der Türkei in die EU ausgeflogen werden. Allerdings nicht die selbe Person.

Die Mitgliedstaaten wollen aber keine zusätzlichen Zusagen für ein solches Ausfliegen (resettlement) von Flüchtlingen treffen. Die aktuellen Zusagen belaufen sich auf 20.000 Menschen, von denen 3.000 bereits umgesiedelt worden sind.

Sprich: die EU will nur 17.000 SyrerInnen aufnehmen, bei über 2 Millionen SyrerInnen in der Türkei. Das hieße aber auch, dass die Türkei nur 17.000 abgeschobene SyrerInnen zurück nimmt.

Was ist dann mit den anderen, die in Griechenland ankommen? Und was ist mit nicht-syrischen Flüchtlingen? Aus dem Irak, Eritrea, Afghanistan? Sie erhalten keinerlei Schutz in der Türkei. Und was ist mit den Flüchtlingen, die in Idomeni festsitzen?

Die Türkei kann uns nicht helfen

Die echten Probleme der EU – Aufnahme und Verteilung lassen sich nur innerhalb der Europäischen Union lösen; die Türkei kann uns dabei nicht helfen.

Doch dabei – und auch bei der geplanten minimalen Aufnahme aus der Türkei – blockieren einige Mitgliedsstaaten. Europa – der Ort, an dem das Recht, Asyl zu suchen, erfunden wurde, die Union, die den Friedensnobelpreis erhalten hat, schließt die Grenzen.

Es ist Zeit, dass sich die zusammen tun, die an ein Europa der Menschlichkeit und der Solidarität glauben um den Aufstand der Anständigen zu wagen. Dass es sie überall gibt, hat der letzte Sommer und Herbst bewiesen.

Ska Keller ist Europaabgeordnete der Grünen. Sie war Spitzenkandidatin bei der Europawahl 2014 und beschäftigt sich vor allem mit den Themen Handel und Migration