“Arme” Luxemburger

Nach den Banken sollen nun auch die Reichen in Südeuropa bluten. Über eine Vermögensabgabe sollen sie an den Kosten der Euro-“Rettung” beteiligt werden, fordert etwa der Wirtschaftsweise Bofinger. Er springt damit auf die Armuts-Debatte in Deutschland auf. Dabei sollten es die Experten besser wissen.

Wir sind die Ärmsten, zahlen am meisten und werden dafür auch noch verhöhnt: dies ist das Selbstbild, das der deutsche Michel im Jahr vier nach Beginn der Eurokrise pflegt.

Doch die Ärmsten sind wir nur, wenn wir das Vermögen ohne Rentenansprüche und andere Sozialstaatsleistungen betrachten (die in Deutschland besonders üppig sind), und wenn wir das Auslandsvermögen ignorieren (so wie die EZB es fälschlich tut).

Wenn man die Fincas auf Mallorca und die Flats in London mit berücksichtigt, sieht es schon ganz anders aus, wie der Ökonom T. Straubhaar in der “Welt” gezeigt hat.

Und am meisten zahlen tun wir auch dann nur, wenn wir mit absoluten Zahlen arbeiten. Betrachtet man hingegen den Pro-Kopf-Beitrag zur Euro-Stützung, ergibt ein völlig anderes Bild als das, das die EZB-Studie vermittelt.

Dabei steht nämlich nicht der deutsche, sondern der luxemburgische Steuerzahler an der Spitze.

Nach einem Bericht des „Handelsblatts“ trägt jeder Luxemburger, gemessen am Beitrag seines Landes zum neuen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM, ein Risiko von 3,506 Euro – mehr als jeder andere Euro-Bürger.

Auf den Plätzen zwei und drei liegen das Euro-Krisenland Irland und die Niederlande. Deutschland folgt mit 2,317 Euro erst an fünfter Stelle, noch nach Österreich.

Frankreich und Italien schultern mit 2,179 bzw. 2,070 Euro ähnlich hohe Lasten wie die Bundesrepublik. Von einer krassen Benachteiligung der deutschen Steuerzahler kann also keine Rede sein.

Im Gegenteil: wir stehen, nüchtern betrachtet, vergleichsweise gut da – zumal auf die Hilfen ja auch noch Zinsen gezahlt werden, die dem deutschen Steuerzahler bzw. seinem Kassenwart Schäuble zugute kommen.

Man sollte von der Bundesregierung und ihren Experten erwarten, dass sie auf diese Hintergründe hinweisen und das verzerrte Selbstbild des deutschen Michels korrigieren.

Vor allem Schäuble ist hier in der Pflicht, denn falsche Wahrnehmungen können im aufgeheizten Klima der Eurokrise gefährlich werden. Wenn sich die Deutschen nur noch als Opfer betrachten und die Fakten ignorieren, kann er nicht mehr lange den „Retter“ spielen…

Dies ist die gekürzte und aktualisierte Version eines Beitrags, den ich auf “Cicero online” veröffentlicht habe. Das Original steht hier. Wer sich für die EZB-Studie interessiert, sollte hier mal nachlesen – ein hochinteressante Richtigstellung von P. De Grauwe.