Angriff auf Italien (Update)

Lange schien er gegen Kritik immun, doch nun machen ihm die Märkte den Garaus 

Nach Griechenland, Irland und Portugal zieht die Schuldenkrise nun auch Italien in ihren Bann. Die Lage sei so ernst, dass EU-Ratspräsident Van Rompuy eine Krisensitzung der Eurogruppe einberufen habe, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. Italien sitzt auf dem größten Schuldenberg Europas und hatte zuletzt große Mühe, die Märkte von einem hektisch aufgelegten Reformprogramm zu überzeugen.

Dennoch lässt sich die Lage in Rom nicht mit der in Athen, Dublin oder Lissabon vergleichen. In Athen wurden jahrelang die Statistiken gefälscht; der Regierung in Dublin wurde die hausgemachte Bankenkrise zum Verhängnis; in Lissabon bereitet vor allem das schwache Wachstum Sorgen. In Rom scheint das Hauptproblem die Regierung Berlusconi zu sein, die vollkommen zerrüttet ist und der niemand mehr vertraut.

Von einer „Ansteckung“ Italiens durch Griechenland zu sprechen, geht also an der Sache vorbei. Es gibt keinen griechischen oder europäischen „Schuldenvirus“, der plötzlich von Athen nach Rom überspringt. Wenn überhaupt, dann gibt es einen „Angstvirus“, der über die Märkte verbreitet wird. Dabei wird die Angst gezielt geschürt – durch negative Erwartungen, die seit 2009 in dem Begriff der „PIGS“ zusammengefasst werden.

Wir erinnern uns: Schon vor Beginn der Schuldenkrise in Athen wurden die PIGS – also Portugal, Italien, Griechenland und Spanien – von Analysten in London und New York als potentielle Opfer der Krise identifiziert. Wie beim Tontaubenschießen konzentrierten sich die Spekulanten auf einige wenige Ziele, die so umso leichter abgeschossen werden konnten. Nun ist also Italien an der Reihe; danach kommt Spanien dran – wetten, dass?

Dass es sich um einen gezielten Angriff handelt, kann man nicht nur daran erkennen, dass Italien direkt nach Portugal ins Visier genommen wurde – die Ratingagentur Moody‘s hat Lissabon letzte Woche ohne irgendeinen konkreten Anhaltspunkt auf Ramschniveau herabgestuft. Es wird auch im Vergleich zu den USA deutlich. Dort ist die Schuldenkrise wesentlich ernster; Washington droht sogar die Zahlungsunfähigkeit. Doch die Märkte halten still. 

Sie konzentrieren sich auf Europa, wo es mehr zu gewinnen gibt und die Abwehr schwächer ist. Alarmierend ist dabei nicht nur, dass Van Rompuy & Co. offenbar nicht in der Lage sind, den gezielten Angriff als solchen zu erkennen. Sie tun immer noch so, als kämen die Attacken völlig unerwartet – noch nach dem EU-Gipfel Ende März hatte Van Rompuy stolz verkündet, nun sei die „Ansteckungsgefahr“ endgültig gebannt…

Alarmierend ist auch und vor allem, dass die Märkte sich nun Schwergewichte der Eurozone vornehmen, die von den Euro-Rettungsschirmen nicht mehr aufgefangen werden können. Wenn es ihnen gelingen sollte, Italien zu destabilisieren, gäbe es kein Halten mehr – dann wäre der Euro am Ende. Die Spekulanten wissen dies nur zu genau – deshalb arbeiten sie ihre PIGS-Agenda wie einen “schweinischen” Schlachtplan ab.

Bleibt zu hoffen, dass Van Rompuy & Co. sich nun endlich zusammenreißen und zum Gegenangriff blasen…

 

Nachtrag 12.7.11

Die Eurogruppe hat sich nicht zusammengerissen. Sie hat sich weder auf die längst überfällige Lösung der Schuldenkrise in Griechenland geeinigt noch die Angriffe auf Italien verurteilt. Zwar soll der aktuelle Euro-Rettungsfonds EFSF künftig flexibler eingesetzt werden. Was das genau bedeutet, und wem es helfen könnte, bleibt in dem vagen Statement der Euro-Chaos-Gruppe jedoch offen. Die spekulativen Attacken dürften also ungebremst weitergehen…

 

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