War alles ganz anders?

Zwei Experten für Finanzmärkte haben hinter die Kulissen der Eurokrise geblickt. Der Journalist H. Schumann hat einen Film gedreht, der Börsenprofi D. Müller ein Buch geschrieben. Beide kommen zu demselben Schluss: vieles war ganz anders, als uns Politik und Medien weißmachen wollen.

Für die Mainstream-Medien ist der Fall klar: die spinnen, die Kritiker der offiziellen deutschen Lehre. “Die seltsame Welt des Dr. Dax” überschreibt SPON einen Artikel über das neue Buch von D. Müller. Es ist – was sonst? – ein Verriss.

Vieles klingt ja auch merkwürdig. Die Krise in Griechenland sei bewusst von den USA ausgelöst worden, weil die Amis auf riesige Gas- und Ölvorkommen spekulieren. Belege dafür liefert Müller nicht (eine Leseprobe findet sich hier).

Plausibler ist da schon seine These, bei der Eurokrise gehe es um Geopolitik – USA gegen Europa, Dollar gegen Euro. Dass die USA den Status des Dollar als Welt-Leitwährung sichern wollen, ist wohl kaum zu bestreiten.

Mythos Staatsschuldenkrise

Und dass die Wall Street unter dem Codewort “PIGS” massiv gegen Griechenland, Italien, Portugal und Spanien spekulierte, ist längst kein Geheimnis mehr. Das habe ich auch in meinem Blog oft geschrieben, z.B hier.

Müller gebührt aber das Verdienst, den deutschen Mythos zu zerstören, hier gehe es einzig und allein um eine “Staatsschuldenkrise”. Natürlich spielten strategische Interessen eine zentrale Rolle; doch Berlin tut immer noch so, als gehe es nur um Defizite.

Noch härter als Müller geht der “Tagesspiegel”-Redakteur H. Schumann mit der Bundesregierung ins Gericht. In seinem neuen Film “The Secret Bank Bailout”  (dt. “Staatsgeheimnis Bankenrettung”) greift er vor allem Finanzminister Schäuble an.

Ich habe mir den Film angeschaut und war schockiert. Laut Schumann haben deutsche Investoren mehr als 400 Mrd. Euro in den Krisenländern Südeuropas investiert. Bei den “Rettungen” sei es vor allem darum gegangen, dieses Geld zu sichern.

Zwar ist auch das nicht neu. Auch in diesem Blog war schon zu lesen, dass wir nicht die Griechen retten, sondern deutsche und französische Banken, Versicherer und Privatanleger, die in Griechenland investiert haben (z.B. hier).

Schumann macht aber einen wichtigen neuen Punkt: Schäuble mache sich zum Komplizen dieser Investoren, indem er nicht nur ihren Bailout finanziere, sondern zudem noch dafür sorge, dass sie anonym bleiben.

Sozialismus für die Reichen

Dies sei ein “Sozialismus für die Reichen”, so Schumann. Statt über die Frage, ob wir die “Pleite-Griechen” retten sollen, müsse es in der öffentlichen Debatte eigentlich darum gehen, ob wir mit “unserem” Steuergeld “unsere” Reichen raushauen sollen.

Das wäre in der Tat eine ganz andere Fragestellung. Wiederum zeigt sich, dass es keineswegs nur um eine Staatsschuldenkrise in fernen Ländern, sondern um handfeste deutsche Interessen geht, die politisch instrumentalisiert werden.

Es war nicht alles anders, aber man hätte (fast) alles anders interpretieren und präsentieren können – was zu einer anderen Politik geführt hätte. Dies ist für mich die entscheidende Erkenntnis aus Müller und Schumann.

Und noch eins: künftig muss es darum gehen, die Namen derer offenzulegen, die von einem Bailout profitieren. Und auch jener, die bei einem Bail-in bluten müssen (wie in Zypern). Es sind nämlich nicht nur die bösen Russen…

Erst wenn dies geschieht, kann das Geheimnis der Euro”Rettung” und ihrer Profiteure wirklich gelüftet werden!

Quellen:

Dirk Müller – Showdown (Buch im Droemer Verlag) – mehr dazu hier

Harald Schumann, Arpad Bondy – Staatsgeheimnis Bankenrettung (Film bei ARTE) – mehr dazu hier