Abschied vom Aufschwung
Die neue EU-Kommission hat die Herbstprognose vorgestellt, die noch vom alten Team angefertigt worden war. Und siehe da: Brüssel verabschiedet sich vom “Aufschwung”, Deutschland ist keine “Konjunkturlokomotive” mehr.
Die deutsche Wirtschaft wird laut Kommission nach dem negativen Frühlingsquartal auch im dritten Quartal mit null Prozent stagnieren. Damit befinden wir uns am Rande der Rezession.
Die gesamte Eurozone soll zwar 2015 wieder um 1,1 Prozent wachsen. Doch das ist schwächer als erwartet, Deutschland liegt gerade mal im Durchschnitt. Echte Zugpferde gibt es keine mehr.
Wer nun glaubt, dass das neue Juncker-Team mit der gescheiterten alten Politik bricht, sieht sich getäuscht. Sogar der Franzose Mosocovici predig Strukturreformen, “fiskalpolitische Glaubwürdigkeit” und Investitionen ohne Schulden.
Eine Abkehr vom Austeritätskurs will er nicht mehr fordern, “Konsolidierung ist eine Notwendigkeit”. Und woher die Investitionen kommen sollen, bleibt weiter ein Geheimnis. – Mehr hier
Andres Müller
5. November 2014 @ 08:49
Diese Prognose stellte ich bereits im Januar, als die EU (resp. deren Vertreter) die Krise für beendet erklärten. Ich habe noch eine zweite Prognose gesetzt, die besonders jetzt sichtbar werden dürfte in den USA. Obama wird wenigstens nach dem Niedergang der Demokraten in Washington kiffen dürfen -vielleicht wird er das noch gebrauchen können.
Die Magistraten des Westens haben noch nicht richtig erkannt wie abhängig Europa und die USA auch ohne TTIP bereits sind. Ein Schwächeanfall des Euro kann in den USA eine handfeste Deflation auslösen -wir nähern uns nun langsam aber sicher dem Börsencrash Black Thursday von 1929, nur mit anderer noch explosiverer Konstellation, denn heute gibt es auch noch ein aufsteigendes Asien. Niemand wird die grosse Depression verhindern können, auch Yellen ist nämlich jetzt eine “lahme Ente”. Wir werden froh sein können wenn sich nicht wie 1932 der Faschismus schnell ausbreitet.
Tim
4. November 2014 @ 23:09
Die Investitionen kommen von Unternehmen. Und zwar dann, wenn die Investitionsbedingungen stimmen. Weg mit der Totregulierung überall.
Als Schmankerl für Keynes-Gläubige kann man dann ja meinetwegen jedem Europäer einen staatlich finanzierten 500-Euro-Einkaufsgutschein in die Hand drücken. Bringt zwar nur ein Strohfeuer und verstärkt die strukturellen Probleme vieler Länder, aber ohne solche Quatschkompromisse scheinen Strukturreformen in europäischen Staaten ja nicht machbar zu sein. Alle gucken immer nur auf die aktuelle Wirtschaftslage, ohne die teilweise jahrzehntelangen Probleme zu beachten.
DerDicke
5. November 2014 @ 08:54
Hat nur bedingt mit Regulierung zu tun.
Investiert wird, wenn am Ende eine Rendite zu erwarten ist.
Werden die Arbeiter = Konsumenten nicht ordentlich bezahlt dann braucht man mangels Konsumenten auch nicht investieren.
Ist die Rendite beim zocken am Finanzmarkt höher wird auch nicht in die reale Wirtschaft investiert.
Und von welchen “jahrzehntelangen Probleme”n sprechen Sie konkret?
Tim
5. November 2014 @ 10:19
In Frankreich und Deutschland investieren die Unternehmen seit mehr als 20 Jahren zuwenig. Keynes-Freunde denken natürlich immer nur ans nächste Jahr, aber die strukturellen Probleme beider Länder sind seit langem bekannt.
Teure Länder müssen flexibel sein und erstklassige Infrastruktur & Bildungsqualität anbieten, sonst bleiben die Investitionen halt weg.
Gegenbeispiel zur Versagerstrategie von F+D: die Schweiz. International wahnsinnig erfolgreiche Industrie, obwohl der Standort extrem teuer ist.
Peter Nemschak
5. November 2014 @ 10:51
Siehe auch newsletter@nzz.ch: von einer deutschen Politikänderung sind keine Wunder zu erwarten. Der Süden hat sich vor den Reformen gedrückt, die in Deutschland unter Schröder passiert sind. Mit Eurobonds, die von manchen als Schlüssel zur Lösung gesehen werden, ist außer einer Bonitätsumverteilung ohne Gegenleistung nichts gewonnen, so dass der Süden so weiter machen kann wie bisher. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich dafür im Norden eine Mehrheit finden wird. Es gibt ein tiefes Misstrauen hinsichtlich der politischen Strukturen und Prozesse im Süden.
Peter Nemschak
4. November 2014 @ 21:55
Wie wäre es mit Steuern senken, damit die Bürger mehr Geld zum ausgeben haben.
DerDicke
5. November 2014 @ 07:40
Wie wäre es mit Löhne erhöhen, damit die Bürger mehr Geld zum ausgeben haben.
Die Steuern wurden – gerade für Spitzenverdiener und Konzerne – in Deutschland in den letzten 10 Jahren deutlich gesenkt. In diesen Bereichen ist es Zeit für Steuererhöhungen. Gleichzeitig den Grundfreibetrag um 2000€ erhöhen um alle anderen Einkommensschichten etwas zu entlasten.
Peter Nemschak
5. November 2014 @ 10:39
Was haben Sie gegen die Steuersenkung für Otto-Normalverbraucher uns generell auf Arbeitseinkommen, damit diese mehr Geld zum ausgeben haben? Oder rechnen Sie damit, dass die Verbraucher das zusätzliche Geld eher sparen als ausgeben werden, trotz der minimalen Verzinsung.
DerDicke
5. November 2014 @ 13:39
Lohnerhöhung für alle abhängig Beschäftigten.
Steuererhöhung für Kapitalgesellschaften und Spitzenverdiener.
Und die Erhöhung des Grundfreibetrages um 2000€ ist eine Steuersenkung für alle Nicht-Spitzenverdiener (Grundfreibetrag ist der Teil des Einkommens, der Steuerfrei bleibt, aktuell sind das in Deutschland 8354€ pro Jahr).
Marcel
4. November 2014 @ 17:03
Das ist der tolle Erfolg der EU-Politik der letzten Jahre. Und jetzt noch weitermachen ohne sich mal Alternativen anzuschauen. Die EU fährt sich willentlich selber an die Wand. Herrlich!